Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
schien zu überlegen. »Ich nehme an, Dar hat dich hierher gebracht?«
»Ja«, sagte sie. Einem spontanen Impuls gehorchend, ließ sie ihre Gedanken durch den Tath-Filter ihrer KI laufen. Sie wollte in Formulierungen sprechen, die zu einem Elfen passten, aber nicht zu ihr, in der Hoffnung, Zal würde es merken und sich zusammenreimen, dass da irgendetwas im Busch war. »Nachdem dich der Phönix entführt hatte, kehrten Dar und seine Mitstreiterin zurück, und es gab einen Kampf. Sie überwältigten mich und brachten mich hierher.«
»Trickreich«, sagte Zal mehr zu sich selbst und erklärte dann Lila: »Deine geile Bikerkluft ist mir leider abhanden gekommen. Arië hat sie verbrannt. Sie hält nicht viel vom Tragen toter Tiere, auch wenn sie noch so kunstvoll zu knallengen Fetischklamotten verarbeitet wurden.«
»Das ist nicht von Belang«, sagte Lila, bemüht, so zu klingen, als hätte sie ein Töchterpensionat besucht und Shakespeare gelesen, wenn sie auch nicht recht wusste, was ein Töchterpensionat war. »Du kannst sie mir ersetzen, wenn wir wieder in Otopia sind.«
»Nicht von Belang«, wiederholte Zal, indem er exakt ihren Ton nachahmte. Seine dunklen Augen verengten sich und seine Ohren legten sich wieder auf diese Pferdeart an. Bei Pferden signalisierte diese Ohrhaltung Unmut und war meistens das Vorzeichen für einen Tritt oder Biss. Deshalb war Lila nicht überrascht, als er die Arme entflocht, seine lässige Pose aufgab und auf sie zukam.
Ehe sie wusste, wie ihr geschah, oder besser, nachdem sie seine Absicht richtig erraten und eine halbe Sekunde überwältigender Vorfreude genossen hatte, fasste er sie an den Schultern, zog sie an sich und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund. Im selben Moment umhüllte sein Andalun ihren gesamten Körper.
Sie war gegen den Schock gewappnet gewesen, ihn wiederzusehen, ihm nahe zu sein, ihn sogar zu berühren. Aber die Überflutung durch seinen Ätherleib traf sie gänzlich unvorbereitet: So sanft wie warmes Wasser sickerte er in sie ein, durchdrang sie Zelle für Zelle und Leitungsbahn für Leitungsbahn. Wenn er auch mit ihren elektrischen Systemen nicht kompatibel war, füllte er doch die Räume zwischen den Drähten: Die biologischen Komponenten ihres mechanoiden Körpers trugen ihn in sich, wie sie Tath in sich trugen, verändert, aber vollständig. Lila war von Zal durchtränkt, und genau wie bei Tath bekam sie seine gesamte Verfassung augenblicklich mit.
Sie fühlte seine physische Kraft und seine Verschiedenheit von ihr selbst, seine Energielevel, seine Emotionen. Er konnte nichts vor ihr verbergen, weder, dass er sie einer ätherischen Leibesvisitation auf versteckte Waffen unterzog, noch, dass er wusste, in welcher Gefahr sie hier war, und dass er Angst hatte, sie müssten beide sterben. Weder seinen Verdacht, dass sie besessen war oder fremdgesteuert wurde, noch die Tatsache, dass ihn jede Berührung zwischen ihnen so berauschte, dass er kaum noch atmen, geschweige denn denken konnte. Der Andalun- Kuss überschwemmte Lilas Sinne, bis da nichts mehr in ihr war, das nicht in Zal badete. Er war nicht in sie verliebt. Für ihn war es mehr, etwas, was er nicht erklären und nicht beherrschen konnte. Er liebkoste sie. Er sang sie. Lila schwamm in ihm, in einem Zustand vollkommener Glückseligkeit. Was sie mit Dar oder irgendeinem ihrer früheren Liebhaber erlebt hatte, war nichts dagegen.
Ein Prickeln von wilder Magie lief durch ihre Energiesysteme. Sie sah ein schwarz-goldenes Muster vor ihrem inneren Auge, Diamantformen und Tupfen. Sie hörte eine Stimme, die keine Stimme war, als würde sie sich wie aus weiter Ferne zuhören, und wartete, wartete, dass etwas geschah … und dann fühlte sie Tath und seine jähe Angstkonvulsion, als presste ihr etwas das Herz zusammen.
So kondensiert wie irgend möglich, war Tath auf ein winziges grünes Licht von strahlender Intensität geschrumpft, aber zugleich lag er im Kampf mit seinen widerstreitenden Impulsen: dem Reflex, sich Zals beharrlich forschendem Ätherleib zu entziehen, und dem Verlangen, sich ihm zu erkennen zu geben, damit sie heimlich kommunizieren konnten.
Lila fühlte diesen Konflikt in Tath und, daran angelagert, einen Wirrwarr widerstreitender Loyalitäten gegenüber den Daga, Arië, Alfheim und Zal. Das alles zog und zerrte an Tath, bis weder er noch Lila mehr wussten, an wen oder was er glaubte. Tath hasste Zal dafür, dass er Alfheim verraten hatte, aber was Zal über ihn gesagt hatte,
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