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Lila Black 01 - Willkommen in Otopia

Lila Black 01 - Willkommen in Otopia

Titel: Lila Black 01 - Willkommen in Otopia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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umfasste ihn unterhalb der festbandagierten Arme, versuchte, nur Druck auf den unteren Teil seines Brustkorbs auszuüben, kam aber doch an seine Ellbogen. Sie fühlte, wie sich gebrochene Knochen verschoben, und er gab einen kläglichen Schmerzenslaut von sich, der bei jedem, der genug Atem gehabt hätte, ein Schrei gewesen wäre. Er machte keinen Versuch, sich selbst hochzustemmen, weil er es nicht konnte. Als sie ihn auf das Motorrad herabließ, musste dies seine Pein noch verschlimmern, denn sein zurückgehaltenes Andalun entwich. Bei seiner Berührung hatte Lila die gleichen Geschmacksempfindungen wie in jener Sekunde vor Jahren, als er sie verstümmelt hatte. Aber jetzt fühlte sie nur Schwäche und Qual, wo er in Kontakt mit ihrem Menschenkörper kam. Die Berührung war schwach und verflog rasch. Zu Lilas Überraschung wurde ihr beim Gedanken an die Schmerzen, die sie ihm zufügte, ganz schlecht, und in diesem Moment schwand ihr Hass auf ihn. Er war jetzt einfach nur ein Notfall und sie die Ambulanzfahrerin.
    »Augenblick.« Gwil berührte Lilas Hand, während Lila den Starter trat. Über das Spucken und Stottern des Motors hinweg sagte Gwil: »Falls er nicht bei Bewusstsein ist, wenn die Daga euch finden, werden sie dir nicht glauben, weil du nun mal bist, was du bist. Sag ihnen, Gwilaren Amanita aus Lyrien schickt euch.«
    »Amanita?«, wiederholte Lila, erstaunt über diese Namensverwandtschaft mit einem tödlichen Gift.
    Die Elfe grinste ohne jede Spur von Erheiterung. »Nicht alle Elfen sind lieblich und haben liebliche Namen«, sagte sie und trat einen Schritt zurück. Dar sank gegen Lilas Brust, den Kopf auf ihrer Schulter.
    Lila sah sich noch einmal um. »Gwilaren Amanita, ich werde ihn nach Alfheim bringen.«
    »Tu noch mehr, Lila Black. Das ist nicht genug«, rief Gwil ihr nach. »Beende dein Spiel mit Zal und entdecke, wer du wirklich bist.«
    Die Worte der Elfe brannten in Lilas Ohren. Woher konnte sie von dem Spiel wissen? Oder meinte sie etwas ganz anderes? Sie schämte sich ihrer Scham und auch dafür, dass sie an Dars Zustand schuld war – trotz aller rationalen Regeln des Kampfes, die sie gegen dieses Gefühl ins Feld zu führen suchte. Aber das alles vergaß sie schnell, als sie spürte, wie sich Dars Andalun an der Stelle fokussierte, wo er die bloße Haut ihrer Schulter berührte. Über diesen Kontakt konnte sie Dars Stimme in ihrem Kopf hören. Leise, aber deutlich lotste er sie durch die weglose Wildnis, immer tiefer hinein, bis sie ganz allein waren, inmitten von Fels und Gestrüpp und seltsamen kleinen Blumen, die in dieser Wüste blühten.
    Und dort, wo ein vom Wind freigelegter Tuffsteinbogen gleißenden Himmel umrahmte, fuhr Lila vertrauensvoll die Felsschräge hinauf, an deren Ende sie nichts zu erwarten schien als Leere, der Sprung in den sicheren Tod.
    Sie passierten eine seltsam lautlose Trennschicht – ein Wasserfall ohne Wasser, ein Moment flüssiger Potenzialität – und landeten in einem dichten, üppigen, feuchtgrünen Wald. Das Motorrad fuhr sich auf einer kleinen Lichtung fest, schleuderte Schlamm und Wasser auf Lilas Beine und bespritzte ihr Arme und Gesicht.

 
13
     
     
    Um Lila war trübes Zwielicht, erfüllt von jenem sanften, kühlen Regen, den sie aus den Hügeln Lyriens, des zweiten alfheimischen Fürstentums, kannte – typisches Wetter, fast schon ein Markenzeichen. Nach der sengenden Hitze des Phönix und dem Schmirgeln des Sandes sog Lilas Haut die Feuchtigkeit begierig auf. Sie fühlte, wie Dar vor Schmerz erschauerte, hörte das raue Rasseln, als er einatmete. Ganz in der Nähe stand zwischen den Nadelbäumen eine Holzhütte auf einem eindeutig von Elfen errichteten, erhöhten Sockel aus trockenem Erdreich. Auf der kleinen Lichtung wuchsen verschiedene Bäume, durch deren mächtige Laubkronen nur winzige Stückchen Himmel zu sehen waren. Es war extrem still. Das lag daran, ging Lila auf, dass ihr Zugang zum Otopia Tree und ihren übrigen Netzwerkverbindungen plötzlich weg war. Kein Incon mehr, überhaupt kein Kontakt mit Otopia, und hier in Alfheim war niemand, der mithörte oder irgendetwas sendete, jedenfalls nicht innerhalb des elektromagnetischen Spektrums.
    Sie stellte den Motor ab. Umgeben von den sanften Geräuschen tropfenden Regens, tanzender Blätter und trinkender Wurzeln, hob sie Dar von der Maschine und trug ihn zu der Hütte. Die Tür war nur von außen verriegelt. Drinnen war es trocken und ruhig, geräumig genug für acht Personen, mit

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