Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
Stockbetten und Matratzen. Sie legte Dar auf eine der Matratzen. Er war totenbleich, sein Puls kaum zu ertasten. Auf dem Motorrad hatte Lila gespürt, wie sein Andalun ihre Hände am Lenker führte, jetzt aber fühlte sie keine Spur mehr von ihm. Sie schob alle Gedanken an Zal beiseite und verlangte von sich reine Professionalität, als sie die Stoffstreifen, mit denen seine Arme am Oberkörper festgebunden waren, löste, weil sie hoffte, es würde ihm das Atmen erleichtern. Was aber nicht der Fall war.
Wie sie schon beim Aufschlag der Metallstange vermutet hatte, waren seine beiden Oberarmknochen glatt gebrochen – böse Verletzungen, aber nicht lebensgefährlich. Das weitaus ernstere Problem war sein Brustkorb. Lila sah gar nicht erst nach, welche Erste-Hilfe-Maßnahmen die elfische Medizin empfahl. Sie traute sich sowieso nicht zu, sie richtig anzuwenden. Aber sie konnte selbst einiges tun, wenn auch das, was sie jetzt vorhatte, Dar bestimmt gar nicht gefallen würde.
Ihre KI hatte kaum Informationen darüber, wie Elfen auf Röntgenstrahlen reagierten, aber es schien ihr zu gefährlich. Sie nahm rasch ihr Erste-Hilfe-Set aus den Innenfächern ihrer Oberschenkel, löste die Schutzfolie von einem EKG-Sensor, öffnete Dars Überrock und Hemd und platzierte den Sensor behutsam auf seiner Brust, über seinem Herzen. Sie stellte ihre Kl-Sinne auf den Sensor ein, und sofort tauchte die blaue Kurven- und Zackenlinie der elektrischen Aktivität des Herzmuskels in ihrem Gesichtsfeld auf, über dem, was sie ansonsten sah. Sie wusste nicht, was für Elfen normal war, erkannte aber, dass die Kurve regelmäßig war. Zu regelmäßig. Bei Menschen und allen otopischen Säugetieren bedeutete eine solche Kurve, dass der Tod sehr nahe war.
»Shit!« Sie verstand es nicht. Wo war die mächtige Heilkraft dieses verflixten Landes jetzt? Gwil hatte gesagt, einfach nur in Alfheim zu sein, würde schon genügen, aber dem war ganz offensichtlich nicht so.
Lila rekalibrierte die Sensoren in ihrer linken Hand und riss mit den Zähnen ein Beutelchen Ultraschall-Gel auf. Sie verteilte es auf ihrer Hand und auf Dars Brust, die die roten und schwärzlichen Male oberflächlicher Prellungen aufwies, aber keine sichtbaren Zeichen tiefer liegender Gewebeschäden, was ebenfalls ein schlechtes Zeichen war. Sie fuhr mit der Hand über seine Brust und verlegte ihren gesamten Gesichts- und Gehörsinn in diese Hand.
Echokardiogramm, dann Thorax-Ultraschall.
Jetzt war klar, was die Metallstange angerichtet hatte. Dar hatte eine Brustbeinfraktur, und einige Rippen waren mehrfach gebrochen, was dazu führte, dass ein Teil des Brustkorbs praktisch in der Luft hing und sich zwar mit seinen schwachen Atemzügen bewegte, aber nichts zur Atmung beitrug. Um die Lungen hatte sich Blut angesammelt, ebenso im Herzbeutel, was die Schwäche und Regelmäßigkeit der Herzaktivität erklärte. Lila nahm eine Blutgasanalyse vor, war sich aber nicht sicher, ob sie die Ergebnisse abwarten konnte oder sollte. Sie prüfte die Schleimhäute seiner Augenlider – fast weiß, ins Bläuliche gehend. Er war zyanotisch. Er brauchte mehr Sauerstoff.
»Herrgott!«, sagte sie ein paar Mal ziemlich laut, um sich abzureagieren, während sie sterile Packungen aufbrach, auf der Suche nach den ganz großen Injektionsnadeln. Auf Vorschlag ihrer KI erlaubte sie dieser, einen Kortikal-Bypass zu legen, der ihre emotionalen Reaktionen überbrückte und nur ein minimales Gefühlserleben übrig ließ, das sie zwar ausreichend informierte, aber die Präzision ihrer physischen Handlungen nicht beeinträchtigte. Jetzt konnte die KI ihre chirurgischen Maßnahmen abrufen und effizient umsetzen. Obwohl sie das, was sie jetzt tun würde, noch nie getan hatte, führten die Hände hunderter erfahrener Chirurgen ihre Finger.
Aus einem ruhigen, meditativen Zustand heraus sah sie zu, wie ihre linke Hand die Punktionsnadel führte und die rechte sie zwischen zwei Rippen in Dars Brustkorb stach. Ihre Hände konnten über ihre eigenen feinen Sensoren verfolgen, was sie taten. Sie platzierten die Nadelspitze in dem blutgefüllten Hohlraum um Dars Herz und aktivierten einen der kleinen Motoren in Lilas Arm, damit er eine kleine Unterdruckpumpe am anderen Ende des Drainageschlauchs in Gang setzte. Dunkles, rostbraunes Blut floss in den Schlauch. Dummerweise hatte Lila nichts, um es aufzufangen, also tropfte es herab und sammelte sich auf dem schönen Holzboden.
Vorsichtig legte sie eine zweite Drainage
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