Lila Black 01 - Willkommen in Otopia
für seinen linken Lungenflügel und verband sie mit einer schwächeren Sekundärpumpe, die über einen ihrer Waffenanschlüsse angetrieben wurde. Hier waren sie nun, dachte Lila, sorgsam miteinander verbunden, während um sie herum Blut tropfte und draußen im stillen Wald Regen fiel. Der Gedanke ließ sie lächeln.
Zum Glück wich jetzt der regelmäßige EKG-Rhythmus allmählich der weniger alarmierenden Unregelmäßigkeit der Tachykardie, da Dars Herz sich erholte. Gleichzeitig wurde sein Puls kräftiger. Jetzt kamen endlich auch die Ergebnisse der Blutgasanalyse – Sauerstoffwert niedrig, Kohlendioxid hoch, Stickstoff hoch … egal. Sie hatte auf jeden Fall das Richtige getan und setzte sich mit einem gewissen Gefühl der Befriedigung auf ihre Fersen, um ein passendes Schmerzmittel auszuwählen. Sie verabreichte ihm mehrere Injektionen, alle so präzise wie möglich platziert und dosiert, damit sie keine sedierende Wirkung hatten, wenn er zu sich kam. Er musste ihr sagen, wie sie weitermachen sollte, da ihre menschlich-medizinischen Methoden, die nun mal die Benutzung von Metall beinhalteten, für ihn wahrscheinlich nicht gerade das Beste waren, auch wenn die Tatsache, dass sie ihm das Leben gerettet hatte, an dieser Front vielleicht einiges entschärfen würde.
Während sich ein chaotischeres EKG-Muster etablierte, nutzte Lila die Gelegenheit, um seine Physiologie etwas genauer zu inspizieren. Das war ein bisschen frech, aber wenn jemand fragte, würde sie sagen, es sei für die Unterlagen zu Hause in Otopia. Trotz gegenteiliger Beteuerungen hatte Alfheim Otopia an seinem medizinischen Wissen ebenso wenig teilhaben lassen wie an seinen magischen Künsten. Das fiel alles unter strikte Geheimhaltungsbestimmungen. Darum war es unter anderem bei dem Abkommen gegangen, dessentwegen Lila vor Jahren als Diplomatin hierhergekommen war. Aber sie wollte es auch aus echter Neugier wissen. Der medizinisch interessierte Teil ihrer Person fragte sich, welcher Art die elfische Heilkunde war und wie sich Elfenkörper von menschlichen unterschieden. In vielem nicht sonderlich: Sie stellte fest, dass alle Organe, relativ gesehen, die gleiche Größe und Lage hatten wie beim Menschen, wenn auch die Physiologie der Muskeln und Sehnen unterschiedlich war.
Einen signifikanten Unterschied gab es jedoch: Elfen hatten wesentlich mehr Nervencluster rings um ihre Hauptorgane und selbst in den Muskeln, als ob ihr Gehirn gründlicher über den Körper verteilt wäre als beim zentralen Nervensystem des Menschen, das nur in der Umgebung des Herzens und der Bauchorgane sekundäre Zentren besaß. Und als sie dies per Ultraschall erforschte, merkte sie, dass sie damit eine Reaktion im EKG hervorrief: Dars Herz reagierte auf die Frequenzen.
Intuitiv brachte sie zwei weitere Sensoren auf seinem Kopf an und nahm eine Hirnstrommessung vor. Auch hier zeigte sich eine Reaktion, obwohl er nicht bei Bewusstsein war. Es war auf jeden Fall keine positive Reaktion. Im Zuge ihrer Ultraschalluntersuchung wurden seine verschiedenen Neuralregionen dissonant. Sein Herz flatterte.
Lila hielt inne. Sie studierte ihre Daten und legte dann wieder die Hände auf Dars Körper, wobei sie diesmal, gezielt auf einzelne Nervencluster gerichtet, elektrische Impulse aussandte, die ihrer Berechnung nach in etwa den Normalfunktionsfrequenzen dieser Cluster entsprachen. Sie hoffte, so eine gewisse Harmonisierung bewirken zu können. Es klappte prima, und jetzt wurde ihr klar, warum Elfen so sensibel auf Schwankungen der sie umgebenden Magnetfelder und auf Schall selbst reagierten. Alles arbeitete jetzt wieder synchron. Ein paar Sekunden später öffneten sich seine Lider.
Lila hatte schon Leute mit Schmerzen kämpfen und ihnen ohne Scham unterliegen sehen. Dars Augen weiteten sich, als der Schmerz ihn traf, dann verharrte er einen Moment ganz still und sein Gesicht wurde augenblicklich ruhig und beherrscht. Im selben Moment trat sein Andalun hervor, und die Sensoren fielen von seiner Haut ab. Sie wartete, bereit, ihn notfalls festzuhalten, aber er machte keinen Versuch, sich zu bewegen. Er atmete durch die Zähne ein, und eine seiner Brauen hob sich vor Erstaunen, weil es so leicht ging.
»Ganz ruhig liegen bleiben«, sagte sie. »Sie sind noch nicht über den Berg – aber auch nicht über alle Berge.«
Er lächelte schon fast über ihre Anwandlung von Humor.
»Ihre Arme sind gebrochen«, erklärte sie ihm. »Aber das wussten Sie ja wahrscheinlich schon. Ihr
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