Lila Black 03 - Elfentod
Unterschied? Bei der Hochzeit mit Adai hattest du es durch Verdrängung gelöst und so getan, als wäre es nur eine Zweckehe, und bist direkt nach Otopia verschwunden. Adai hast du bei den Ahrimani zurückgelassen und kamst dir wie ein Held vor. Und schließlich bist du dem Problem mit einem genialen Einfall beigekommen, als Lila auftauchte, indem du vorgabst, Nerven aus Stahl und einen eisernen Willen entwickelt zu haben. (Immerhin bist du zum Dämon geworden und hast deine ganze Rasse und dein Land in einem gewaltigen emotionalen Erstschlag hinter dir gelassen.) Und außerdem bedeutete sie selbst Sicherheit, weil wahrscheinlich niemand mit ihr fertig werden konnte, und sie war leicht zu manipulieren, gierte so verzweifelt nach Liebe, dass du bei ihr nie Gefahr liefst, zurückgewiesen zu werden oder sie zu verlieren. Lila war kugelsicher, und du konntest sie ohne jede Furcht lieben, aber dann wurde sie plötzlich zum Angriffsziel für jeden Idioten der Stadt, und du hast erkannt, dass nur einer von ihnen einen Glückstreffer landen muss.
Ja, es war vor zwei Tagen an diesem aufregenden Nachmittag auf dem Luftschiff nicht deine Absicht, Lila und Sorcha zu beschützen, sondern sie umkommen zu lassen – und mit ihnen das zunehmende Gefühl der Schwäche. Das war es, was deine Fähigkeiten vernichtete und dafür sorgte, dass du jetzt an dieser Kante baumelst, nicht der Tod deiner Schwester, und das hat auch dafür gesorgt, dass du Lilas Platz bei der Jagd eingenommen hast. Du wolltest, dass Jack dich verfolgt, damit du dir selbst beweisen kannst, dass du dein Bestes gegeben, das Äußerste geleistet hast, um dann ohne eigene Schuld zu scheitern. Du wolltest, dass er dich fängt und dann Gerechtigkeit an dir übt, weil du es nicht selbst tun kannst. Und das hat Jack sofort erkannt. Und du hast gelogen und bist geflohen.
All das ging ihm binnen eines kurzen Augenblicks durch den Kopf, während er an der Felskante hing. Er musste nur loslassen, und alles wäre vorbei. Er wäre frei, wie er es wollte, wie er es geplant hatte. Sogar Jack würde ihn nicht fertigmachen können. Er würde die Wahl selbst treffen, der ehrenvolle Ausweg eines Dämons, der für einen Augenblick den Fehler begangen hatte, sich verletzlich zu machen und davonzulaufen, wofür Sorcha mit ihrem Leben bezahlt hatte. Nichts in der Welt schien leichter, als loszulassen. Seine Finger taten weh, obwohl sie nur ein so geringes Gewicht halten mussten, seine Nägel rissen ein. Der Fels war rutschig, die Oberfläche so glatt, dass er bereits tot sein müsste, wäre er nicht gerade ein Schatten. Sein Unterarm brannte und wurde immer schwächer. Er starrte den Fels an. Ein Bild des Kobolds huschte durch seinen Geist, und dann hörte er den Wind aus der Ferne Hundegebell herantragen. Das Bellen war freudig, aufgeregt und gierte nach seinem Tod.
Da packte ihn die Wut. Er schwang seinen freien Arm einmal, zweimal und brachte damit zwei weitere Finger an die Kante. Der Weg hinauf war schwierig, denn der Überhang war sehr glatt, aber er fand einen dünnen Spalt, in den er seinen Fuß stemmen konnte. Der Schmerz in den Armen bestärkte ihn nur in seinem Entschluss, obwohl sie langsam den Dienst versagten. Er ignorierte die Qualen, zog das Bein hoch und rammte den Stiefel in den Spalt. Durch die leichte Entlastung und die Veränderung seiner Haltung fand er an der Oberseite besseren Halt, und danach war es recht einfach, sich hochzuziehen und auf den Vorsprung zu klettern. Er lag auf dem Fels, spürte den Wind, der an ihm zerrte, und das grausame Brennen seiner Sehnen, den Schmerz in seinem Fuß, das Rasen seines Herzens, und lächelte.
Er gönnte sich zwanzig Sekunden, dann sprang er wieder auf und lief weiter, an der Kante entlang, der Klippe folgend, über die eisigen Felsen und Hügel, bis er wieder den Wald erreichte.
Lila konnte nicht erkennen, wie Moguskuls Hunde Zals Spur verfolgten, denn als Schattenwesen hatte er keinen Geruch mehr. Sie konnte nicht beschreiben oder definieren, was genau er jetzt war; körperlos wäre zu wenig, stofflich zu viel. Sie lief neben Madrigal zwischen den Bäumen der winterlichen Wälder hindurch und erinnerte sich an die Informationen, die der Forscher hatte weitergeben wollen, und erkannte, wie beschränkt und lückenhaft doch das menschliche Verständnis des Äthers war. Das heutige Drama auf einer so tiefgehenden Ebene ätherischer Beteiligung bewies nur, was sie schon lange dachte: Äther war mit Bewusstsein, mit
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