Lila Black 03 - Elfentod
rückte plötzlich näher.
Zals Stimme war zum Gesang gequälter Mönche in einer mitternächtlichen Kathedrale geworden. Das Lied war voller tiefer Molldissonanzen, wie sie in Horrorfilm-Soundtracks das nahende Grauen ankündigten, und er sang frei erfundene Worte, aber sie bekam den Eindruck, dass nur dieses mächtige Lied die Dunkelheit noch abwehrte und sie nicht etwa anzog.
Die Dunkelheit erkennt ihresgleichen, sagte Tath. Nur wer des Bösen fähig ist, kann es erkennen. Das sind sicher nicht seine besten Lieder, aber wenigstens sind sie aufrichtig.
Lila nahm seine Worte als Kritik auf, aber diesmal taten sie ihr nicht weh. Sie blickte in Williams’ Gesicht, das die kleinen Regungen eines Traumes zeigte. Und dann wurde daraus plötzlich, aufgrund einer schwachen Brise, die Lila weder spürte noch sah, Stirnrunzeln, Zögern, Zweifeln und Argwohn.
Lila lehnte sich vor und schnippte vor dem Gesicht der Frau mit den Fingern. »Aufwachen!«
»Wa … Lila?« Dr. Williams setzte sich langsam auf der Couch auf und rieb sich das Gesicht. »Oh, ich hatte so einen seltsamen … Albtraum. Danke. Wie spät ist es?«
»Zeit, dass ich gehe«, sagte Lila und beendete die Musik.
»Aber Sie sind doch gerade erst gekommen.«
»Ich gehe ins Feenreich und kümmere mich um die Motten.« Lila stand auf und wartete geduldig, während Williams sich erhob und streckte. »Sie hatten einen Notfall-Anruf auf Leitung 5. Der geht auf meine Kappe.«
»Wirklich?« Williams war gerade dabei gewesen zu gähnen, warf ihr nun aber einen ernsten Blick zu. »Was haben Sie angestellt?«
»Ich habe Ihren Forschungszeitplan umgestellt«, sagte Lila. Sie wartete, während die Frau um den Schreibtisch herum zum Bildschirm ging und sich auf den aktuellen Stand brachte, lauschte auf ihren Teil des Telefongesprächs: »Danke. Nein. Weitere Aktionen sind nicht notwendig. Ich kümmere mich selbst darum. Ja. Ja, ich verstehe.«
Williams wandte Lila ihr altes Gesicht zu, als sie die Verbindung unterbrach. »Das war keine gute Idee. Jetzt werden meine Vorgesetzten informiert.«
»Sie könnten es verschleiern«, sagte Lila.
»Und wenn sie mich erwischen, verliere ich meinen Job und wandere in den Knast, während Sie an die Spitze der Liste abtrünniger Spione gesetzt werden. Ich glaube, im Labor nennt man so etwas ›beseitigen‹. Wie wenig liebenswert diese Leute doch stets waren.« Sie seufzte und fuhr sich durch das weiße Haar. »Sie müssen wissen, dass ich Sie nur in geringem Maße schützen kann. Ihr Verhalten in der letzten Zeit überschreitet meine Fähigkeiten, den Schaden zu beheben.«
»Sie sprechen von Zal.«
»Ich spreche davon, Dämonen in Dämonia zu heiraten. Das war ein politischer Akt mit erheblichen Konsequenzen, Lila.« Sie musterte Lila eingehend. »Und Sie bringen diese Dämonen hierher und erwarten, dass wir Ihrem Urteil vertrauen und sie als sicher ansehen, obwohl alles dafür spricht, dass Ihr Urteil irrational ist. Nach allem, was wir wissen, kann man Sie genauso gut dazu verführt haben. Wir wissen wirklich kaum etwas über Dämonen. Oder über die verdammten Elfen. Und dann kommen Sie, eine weitere unbekannte Größe … Sie müssen verstehen, dass Sie nur noch am Leben sind und diese Arbeit erledigen, weil wir Sie in unserer Nähe haben wollen, um Sie im Auge behalten zu können und weil Sie unsere beste Zugangsmöglichkeit zu den anderen Reichen darstellen. Noch.« Sie schüttelte grimmig den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte etwas anderes sagen, und dass wir aus Sorge um Sie weitermachen, aber in Wirklichkeit … Verstehen Sie unsere Lage jetzt?«
Lila schluckte schwer. Sie hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, wie sie auf die menschliche Regierung wirkte. Sie hatte den Kopf mit anderen Dingen voll gehabt. »Ich verstehe, wie es wirken muss«, sagte sie leicht stotternd. »Aber Sie können mir vertrauen …«
»Nein, Lila, das kann ich nicht«, antwortete Williams, setzte sich auf den Stuhl und wühlte in den Schubladen des Schreibtischs. Schließlich fand sie ein kleines Paket mit Taschentüchern und einige Vitaminbonbons. Sie bot Lila ein Bonbon an. »Sie haben gerade Staatseigentum zerstört …«
»Rechtlich gesehen gehört es mir!«
»Ja, ich stimme Ihnen zu, es sollte Ihnen gehören. Andererseits können wir Sie wohl kaum unkontrolliert herumlaufen lassen, ohne jede Leine. Sie waren einmal ein Mädchen, das wir kannten. Jetzt sind Sie etwas Neues und etwas sehr Tödliches. Jede Ihrer Handlungen
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