Liliane Susewind – Delphine in Seenot (German Edition)
Flossen. »Doch, schon«, gab sie zu. »Ich kann mich nicht vom Fleck bewegen. Das fühlt sich schrecklich an.«
Da sah Lilli zu Feline hinüber, die in ihrem Rollstuhl auf dem Steg saß und sie mit verzweifelter Miene beobachtete. »Ich würde euch gern helfen, aber …«, rief sie. Man konnte ihr ansehen, dass sie ihre gelähmten Beine in diesem Moment mehr verfluchte als je zuvor.
Jesahja kam mit zwei gefüllten Eimern zurück, kniete sich neben die Tiere und goss den Inhalt langsam über Fitz und Zapp aus.
Lilli hatte eine Idee. »Du kannst uns helfen, Feline!«, rief sie. »Bleib bei den Delphinen, während Jesahja und ich Wasser holen! Du musst sie beruhigen. Sie haben Angst.«
»Aber wie soll ich zu euch rüberkommen?«, fragte Feline.
Jesahja stand auf. »Würdest du dich von mir tragen lassen?« Er machte zwei kleine Schritte auf den Steg zu und blieb dann unschlüssig stehen. Er wollte sich dem Mädchen nicht aufdrängen. Schließlich wussten sie, dass Feline nicht einmal ihrer Mutter erlaubte, sie zu tragen.
Feline überlegte nicht lange. »Ja, trag mich rüber.«
Jesahja lief zu ihr. Er hob das zierliche Mädchen unter ein wenig Anstrengung aus dem Rollstuhl, trug sie über den Steg und den Strand zu den Delphinen und platzierte sie zwischen Fitz und Zapp. Dann eilte er schon wieder davon. »Ich hole die Sonnenschirme von da drüben«, rief er im Laufen. »Dann liegen die Delphine nicht mehr in der prallen Sonne.« Das war eine gute Idee!
»Fitz, Zapp, das ist Feline«, erklärte Lilli kurz und rannte mit den Eimern los, um noch mehr Wasser zu holen.
Als sie zurückkam, hörte sie, wie Feline mit den Delphinen sprach. »Ich weiß genau, wie es ist, wenn man sich nicht mehr bewegen kann. Es ist schrecklich«, sagte sie in vertraulichem Tonfall zu Fitz. »Ich fühle mich auch wie ein Delphin, der auf dem Trockenen liegt. Ohne diesen Stuhl da drüben komme ich keinen Zentimeter vom Fleck, und im Wasser würde ich bestimmt sofort untergehen wie ein Sack Zement. Aber macht euch keine Sorgen, sobald die Flut kommt, seid ihr gerettet und könnt fortschwimmen.« Sie hielt inne. »Ihr habt Glück. Ich werde nie wieder schwimmen.«
Lilli staunte über Felines Offenheit. Sie schien in den Delphinen so etwas wie Leidensgenossen zu sehen, und obwohl Fitz und Zapp nicht verstehen konnten, was Feline ihnen sagte, war es offensichtlich, dass der Klang ihrer Stimme die beiden beruhigte.
Bald waren die nahe gelegenen Mulden ausgeschöpft, und Lilli und Jesahja mussten immer weiter laufen, um Wasser zu holen. Muscheln und Sand knirschten unter ihren Füßen, und ihre durchnässten Turnschuhe gaben bei jedem Schritt ein schmatzendes Geräusch von sich. Immer wieder rannten sie los, unermüdlich, stundenlang, bis ihre Glieder sich anfühlten wie Blei und jeder Muskel schmerzte.
Die Delphine wurden von Stunde zu Stunde schwächer. Sie gaben kaum noch Antwort, und Lilli machte sich fürchterliche Sorgen. Sie wusste nicht, welche Auswirkungen das lange Liegen am Strand auf die Tiere haben würde.
Nach einer Ewigkeit kam endlich die Flut. Sie kündigte sich zaghaft an, mit schmalen, plätschernden Rinnsalen, die sich den Weg über den Schlick zurück zum Land erkämpften. Zusehends wurden die Wasserzungen stärker, flossen kraftvoll über das wartende Watt und eroberten das Land zurück.
»Es dauert nicht mehr lange«, sagte Lilli zu den Delphinen und ließ sich mit schweren Gliedern in den Sand fallen. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Ihr Haar hing ihr in feuchten Strähnen in die Stirn, und ihre Lippen waren salzverkrustet. Jesahja sah nicht besser aus. Er war schweißgebadet, und sein T-Shirt klebte an seinem Körper.
Feline saß noch immer zwischen den Delphinen. Sie streichelte die verängstigten, entkräfteten Tiere und presste immer wieder tröstend ihre Stirn gegen ihre Köpfe.
»Kommt da das Wasser zurück?«, fragte Zapp und schlug schwächlich mit der Schwanzflosse.
»Ja«, bestätigte Lilli mit unendlicher Erleichterung. Die Happy Hannelore , die am Ende des Stegs vertäut war und seit Stunden auf dem Trockenen lag, wurde bereits von den ersten Rinnsalen getroffen.
»Lass uns versuchen, die Delphine auf große Handtücher zu legen, dann können wir sie dem Wasser entgegenziehen«, schlug Jesahja vor, und Lilli fragte sich, woher sie die Kraft nehmen sollte. Doch sie stand auf und machte sich mit Jesahja daran, ein großes Handtuch auszubreiten. Mit vereinten Kräften hoben sie Zapp
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