Liliane Susewind – Rückt dem Wolf nicht auf den Pelz! (German Edition)
in die Augen. »Genauso, wie ich mit meinem Hund und der Katze sprechen kann, habe ich auch mit dem Wolf geredet.«
Kommissar Schneider schmatzte nachdenklich.
»Askan greift ganz bestimmt keine Menschen an, und auch keine Kühe oder Schafe. Sie müssen ihn in Ruhe lassen!«
Da klingelte abermals das Handy des Kommissars. »Schneider!«, keifte er in den Apparat. »Ja … ja? Mhm … ja dann … ach so … ja. Tschüss.« Er legte auf und machte ein langgezogenes, nachdenkliches Brummgeräusch. Dann sagte er: »Das war die Forstbehörde. Sie haben beschlossen, den Wolf zu jagen.«
»Was?«, rief Lilli entgeistert. »Wieso? Nein!«
»Ja. Weißt du, so etwas entscheidet nicht die Polizei, sondern das Forstamt. Da kann ich nichts machen.« Der Kommissar zuckte die Achseln.
»Aber …«
»Das Risiko ist ihnen einfach zu groß. Der Wolf hätte schließlich beinahe Polizeimeister Gutmichel angefallen!«
Lilli konnte kaum glauben, was Kommissar Schneider da sagte. Man wollte eine Hetzjagd auf Askan beginnen? Das durfte doch nicht wahr sein!
Nicht die Menschen waren in Gefahr, sondern der Wolf …
Wolf in Gefahr
Lilli saß zusammengesunken auf dem Sofa und starrte auf den Fernseher. Nachdem stundenlang Berichte über sie, ihre Entführung und die Suche nach Midas gebracht worden waren, kam nun ein Beitrag über Askan! Der Moderator der Nachrichtensendung sagte gerade, dass der freilaufende Wolf eine große Gefahr für Mensch und Tier darstellen würde und dass bereits zahllose Jäger auf der Suche nach ihm waren.
Lilli krampfte ihre Finger zusammen. »Nein …«
Jesahja, der neben Lilli auf dem Sofa saß, raufte sich die Haare. »Das gibt’s doch nicht! Wieso glauben die uns nicht, dass Askan harmlos ist?«
»Er soll beinahe einen Mann angefallen haben …«, sagte Lilli, dann schüttelte sie heftig den Kopf. »Aber das kann nicht sein!«
»Das ist totaler Quatsch!«, mischte Bonsai sich nun ein, der auf Lillis Schoß lag. »Askan und ich sind Brüder! Und ich würde ja auch keinen beißen. Beißen ist blöd. Ich belle einfach alle platt, wenn es sein muss!« Er hechelte zufrieden.
Frau von Schmidt stelzte über die Lehne des Sofas. »Wird Herr von Wolf etwa verleumdet?« Sie schnupfte. »Dagegen werden Sie doch sicher etwas unternehmen, Madame!?«
Lilli blickte die Katze verzweifelt an. Wenn ihr nur irgendetwas einfallen würde, was sie für Askan tun konnten!
Da betrat Frau Susewind das Wohnzimmer. »Ich muss jetzt zum Sender«, erklärte sie fahrig und zupfte sich die schicke Bluse zurecht. Es war eine ihrer Fernsehblusen. »Es gibt noch einiges für meine Show heute Abend vorzubereiten.«
Da hatte Lilli plötzlich eine Idee. »Mama?«, fragte sie. »Könntest du in deiner Show nicht über Askan sprechen? Dir schauen doch viele Millionen Menschen zu! Wenn du sagen würdest, dass Askan ungefährlich ist, dann –«
Ihre Mutter unterbrach sie. »Erstens sind es nicht viele Millionen Menschen. Die Einschaltquoten sind zwar gut, und ich werde dieses Jahr womöglich für den großen Talkshow-Preis nominiert …« Sie lächelte. »Das wäre was, wenn ich den –«
Nun schaltete Jesahja sich ein. »Und zweitens?«
Frau Susewind seufzte. »Zweitens ist mir bei dem Gedanken, dass in unseren Wäldern ein riesiger, aggressiver Wolf frei herumläuft, nicht so recht wohl.«
»Mama! Ich hab dir doch gesagt, dass Askan –«
Ihre Mutter hob die Hand. »Das glaube ich dir auch. Und einige Leute bei der Polizei glauben dir auch. Es ist nur …«
»Was?«, fragte Jesahja.
»Wenn so ein Raubtier richtigen Hunger bekommt, ist es sehr wahrscheinlich, dass es seine Ehrenworte und Versprechungen vergisst. Askan ist ein Tier, Lilli! Tiere sind nicht wie Menschen.« Damit nahm sie ihre Jacke und ihre Tasche, winkte zerstreut und verließ das Haus.
Lilli blieb mit finsterer Miene auf dem Sofa sitzen. Ihre Mutter musste ihr nicht sagen, was der Unterschied zwischen Tieren und Menschen war. Den kannte sie sehr genau: Menschen waren viel gefährlicher als Tiere.
»Wir müssen etwas tun«, sagte sie nun aufgebracht zu Jesahja.
Der nickte grübelnd. »Es gäbe da eine Möglichkeit …«
»Welche?«, fragte Lilli und spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Jesahja hatte diesen ganz bestimmten Gesichtsausdruck, der sich immer dann zeigte, wenn er einen Plan schmiedete!
»Ich habe mir im Internet mal eine Karte von unseren Wäldern angeguckt«, sagte er. »Es gibt einen Bereich, der von sämtlichen
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