Liliane Susewind – Schimpansen macht man nicht zum Affen (German Edition)
Oberst Essig an, und wenn wir ihr alles erklärt haben und die Liger versorgt sind, dann erzählst du mir, was hier eigentlich vor sich geht!« Ihre Stimme war ungewohnt fordernd, und Jesahja schaute sie überrascht an. Sein Blick war voller Furcht, aber gleichzeitig erkannte Lilli darin auch den Wunsch, sein Geheimnis endlich mit ihr zu teilen, es endlich loszuwerden.
Aufgewühlt rief Lilli Frau Essig-Steinmeier an und erklärte ihr knapp, dass sie so schnell wie möglich zum Affenhaus kommen solle.
Zehn Minuten später preschte die Direktorin, begleitet von Finn, ins Schimpansengehege. Sie sah sich um. In der Ecke lag Samira. Die drei kleinen Liger hatten sich an ihren Bauch gekuschelt und schliefen tief und fest. Shankar stand daneben und staunte seinen Nachwuchs mit großen Augen an.
Die Schimpansen saßen oder hingen in den Kletterseilen und gaben keinen Mucks von sich. Die Anwesenheit der Raubkatzen war ihnen nach wie vor nicht geheuer.
Feodor stand majestätisch neben der nicht minder hoheitsvoll dreinschauenden Frau von Schmidt, und Bonsai wedelte freundlich mit dem Schwanz.
Frau Essig-Steinmeier stemmte die Hände in die Hüften. »Ganz langsam und von vorn, bitte«, sagte sie und fixierte Lilli.
Lilli begann zu erzählen, was sich zugetragen hatte. Sie blieb haarklein bei der Wahrheit und beschönigte nichts. Auch von dem Eindringling berichtete sie und gab alles wieder, was sie durch die Tiere erfahren hatte.
Frau Essig-Steinmeier hörte ihr konzentriert zu. Als Lilli fertig war, griff sie entschlossen nach ihrem Telefon, wählte die Nummer der Polizei und meldete einen Einbruch.
Jesahja schluckte hörbar neben Lilli.
Sobald die Direktorin das Gespräch beendet hatte, verschränkte sie die Arme. »Ihr hättet mir viel früher Bescheid sagen müssen. Hatten wir das nicht vereinbart?«
Lilli trat nervös von einem Fuß auf den anderen. »Es tut mir leid. Wir haben … es vergessen. Ich meine, es sind so viele Sachen auf einmal passiert, dass wir nicht mehr daran gedacht haben, Sie anzurufen.«
Frau Essig-Steinmeier machte eine resignierte Handbewegung. »Jetzt können wir nichts mehr daran ändern.« Sie seufzte. »Wir müssen die Großkatzen sofort in ihr Gehege bringen. Hier haben sie nichts zu suchen.«
»Ich sage es ihnen!« Lilli eilte zu Shankar und Samira und erklärte ihnen, dass es Zeit war, nach Hause zu gehen.
Die Tigerin erhob sich und nahm Shira behutsam am Nacken. Shankar sah ihr verblüfft zu und tat dann das Gleiche mit Lio. Ein Baby war noch übrig. »Darf ich Tigerlilli nehmen?«, fragte Lilli, und Samira brummte mit vollem Maul ihre Zustimmung.
Lilli hob das Raubtierchen hoch und drückte es an ihre Brust. Tigerlilli schmiegte sich eng an sie und schnaufte zufrieden.
Lilli verabschiedete sich von den Schimpansen, die allesamt sehr erleichtert schienen, dass ihr Gehege nun wieder ihnen allein gehören würde. Dann verließen sie das Affenhaus – vier Menschen, drei Liger, ein Löwe, eine Tigerin, ein weißer, puscheliger Hund, ein Leopard und eine orange getigerte Katze von Welt.
Es war bereits früher Morgen und die Sonne ging auf. Lilli betrachtete den rosa-blauen Himmel und fragte sich, was ihr dieser neue Tag wohl bringen mochte. Wenn Jesahja ihr heute sein Geheimnis nicht verriet, würden die Dinge einen schlimmen Lauf nehmen. Das hatte Lilli im Gefühl.
Jesahjas Geheimnis
Als Lilli und Jesahja ihre Räder im Garten der Susewinds abstellten, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Bonsai und Frau von Schmidt kletterten aus den Rucksäcken und stapften in Richtung ihrer Körbchen davon. Sie waren so müde, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnten.
Lilli und Jesahja waren nicht weniger erschöpft, aber ihre Betten mussten noch auf sie warten. Lilli zog Jesahja zum Gebüsch und ignorierte sein widerstrebendes Gesicht. Sie war fest entschlossen, ihn zum Reden zu bringen.
Sobald sie sich zwischen den Büschen zu ihrem kleinen Sitzplatz vorgearbeitet und im Schneidersitz niedergelassen hatten, brach es aus Lilli heraus. »Egal, was es ist, du musst es mir sagen! Wenn du irgendetwas über den Einbrecher weißt, dann sprich bitte mit mir! Wir sind doch die besten Freunde, wir können uns alles anvertrauen!«
Jesahja hörte Lilli aufmerksam zu. Sein abweisender Blick wurde mit jedem ihrer Worte weicher. Zögernd sagte er: »Ich … weißt du … es ist, weil …« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe …« Dann sackte er plötzlich zusammen und schlug die
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