Lilians Verfuehrung
Er überragte sie um fast eine K opflänge, was in ihm den dringenden Wunsch weckte, sie zu beschützen. Er wollte s ie trösten, wenn sie traurig war, sie aufheitern, wenn sie erschöpft aus dem Büro kam. Mit ihr über Bücher und Musik diskutieren, wie sie das schon seit Wochen in ihren E-Mails taten.
Seine Zweifel über das, was er getan hatte, überwucherten die sehnsüchtigen Gedanken, b is sich plötzlich eine zarte Hand auf seine Schulter legte. Er fuhr herum und sah in die blauesten Augen, die er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Sie wirkten nicht mehr so unsicher wie vorhin , und als er den Blick an ihr herabgleiten ließ, sah er auch, warum.
Sie hatte sich umgezogen und trug ein leichtes, türkisfarbenes Kleid, das oben herum eng und tailliert anlag und ab den Oberschenkeln bis zum Knie weit auseinanderfiel. Es erinnerte ihn an die Kleider, die Frauen in 60er-Jahre- Filmen getragen hatten. Die langen, blonden Haare waren lässig hochgesteckt, einzelne lockige Strähnen fielen heraus und umrahmten ihr feines Gesicht. Ob das zarte Rot auf ihren Wangen natürlich oder vom Rouge verursacht war, konnte er nicht ausmachen, aber sie wirkte frisch und fröhlich.
„Hallo, du musst Lilian sein“, sagte Ralph, noch bevor Aaron einen Ton von sich geben konnte, und sprang von seinem Hocker auf, um sie zu begrüßen. Sie lächelte und reichte ihm die Hand, die gerade noch auf Aarons Schulter gelegen hatte, doch Ralph beugte sich vor, griff mit beiden Händen an ihre Schultern und drückte zwei Küsse auf ihre Wangen.
„Oh ... hallo, ja, ich bin Lilian“, sagte sie und betastete ihren Hals, auf der Suche nach einer Kette zum Festhalten, doch sie trug keinerlei Schmuck.
„ Ralph. Marc hat mir schon von dir erzählt“, log Ralph. Unverschämt! „Und er hat, das muss ich sagen, schamlos untertrieben! Jedenfalls hat er nicht verraten, dass wir eine wunderschöne Elfe zu Gast haben .“
Lilian kicherte und wedelte mit der Hand, als wolle sie eine lästige Fliege loswerden. Die Art, wie ihre Wangen sich dunkler färbten durch Ralphs Kompliment, war niedlich und charmant.
„Möchtest du etwas trinken, bevor wir den Streifzug durchs Haus beginnen?“, schaltete Aaron sich ein und warf dem Kollegen einen Blick zu, der ihn hoffentlich in die Schranken weisen würde. Ralph verstand und zog sich diskret zurück. Aaron konnte es nicht erwarten, mit Lilian allein zu sein. Er musste wissen, warum sie überhaupt hier war und was sie von ihrem Aufenthalt erwartete.
„Hm, ich weiß nicht, ich habe schon zwei Gläser Champagner getrunken“, sagte sie, und er stellte fest, dass ihre blauen Augen glänzten. Nun, ein wenig Alkohol würde nicht schaden, es hatte schon anderen geholfen, lockerer zu werden .
„Wie wäre es mit einem sehr leichten Sommercocktail? Ein em Kir Royal zum Beispiel?“
„ Noch mehr Champagner? “ Lilian zog die Nase kraus, nickte dann aber. „Gut, einer nur, das wird wohl nicht schaden . Hoffe ich.“
Er bestellte den Drink bei der Barkeeperin und wandte sich wieder seiner Schülerin zu.
„Dann werde ich dir gleich erst einmal das Haus zeigen“, sagte er und stellte innerlich schmunzelnd fest, dass sie seinen Mund fixierte, während er sprach. Er deutete das als gutes Zeichen, vielleicht sogar als Bereitschaft, ihn zu küssen.
Sie war wirklich noch schöner, als er sich das anhand der Bilder vorgestellt hatte. Sie bewegte sich grazil und stilvoll , wie er selten an Frauen gesehen hatte. Vielleicht lag es daran, dass sie so klein und zierlich war? Oder daran, dass sie früher viele Jahre lang im Ballett getanzt hatte? Das hatte sie ihm per E-Mail verraten.
„Oh ja, ich bin schon sehr gespannt.“ Sie trank einen Schluck von dem dunkelroten Cocktail, den die junge Frau ihr lächelnd hinstellte.
„Seit wann bist du hier?“
„Du wirst es nicht glauben, aber - erst seit einer Woche.“
Sie lachte. „Wie bist du auf die Idee gekommen, hier zu arbeiten?“
Er biss sich auf die Unterlippe. Verdammt, mit dieser Frage hätte er rechnen müssen.
„Nun, ich bin gerade in einer Phase der beruflichen Neuorientierung, wie man so schön sagt. Und dann hat mir ein Freund diese Schule empfohlen. Ich dachte, ich verbinde das Angenehme mit dem Schönen und verdiene für ein paar Monate etwas Geld mit einer Sache, die ich wirklich gern mache.“ Am liebsten mit dir.
Sie nippte wieder an dem Glas und nickte.
„Ich kann mir vorstellen, dass das hier ein Traumjob sein muss für jeden Mann.“
Er
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