Lilians Verfuehrung

hatte sich sogar extra die Haare sehr kurz schneiden und das dünne Bärtchen wachsen lassen. Auf dem Foto, das er ihr geschickt hatte, war er ja außerdem nur schlecht zu erkennen gewesen.
    Trotzdem hatte er tagelang befürchtet, dass er umgehend auffliegen würde. Als sie dann tatsächlich im Flur vor ihm stand, hatte sich sein Puls sofort beschleunigt . Sie war tatsächlich sehr viel schöner als auf ihrem Foto, das zu seiner Erleichterung kein Fake gewesen war . Ihr Gesicht war unglaublich weich und weiblich, mit großen Augen und sehr sinnlichen Lippen. Sie wirkte so unschuldig wie ein junges Mädchen, aber er war sicher, dass sich hinter der Fassade eine leidenschaftliche Frau verbarg. War sie deshalb hier, wollte sie diese Leidenschaft herauskitzeln?
    Warum sie nun genau in der Schule war, würde er ihr im Laufe des Abends hoffentlich entlocken. Und dann wäre es auch an der Zeit für ihn , sich ihr zu offenbaren und zu gestehen, dass er nicht Marc, sondern Aaron hieß . Und dass er in ihren Augen ein Stalker und Hacker sein musste. Ihm wurde übel.
    Hastig leerte er das Tonic Water und stellte das leere Glas auf die Theke zurück.
    „Nervös?“ Ralph war einer der „Alten“ hier, er machte den Job nun schon seit einigen Jahren und behauptete, es sei der Beste , den er je gehabt hatte. In Anbetracht seiner Ausstrahlung und seiner Attraktivität wunderte Aaron sich nicht darüber - Ralph war der beliebteste Lehrer an der Schule und suchte sich seine Schülerinnen selbst aus, wobei er sich grundsätzlich nicht auf eine beschränkte. Noch vor wenigen Wochen hätte er selbst das ziemlich scharf gefunden.
    „Ein wenig“, gestand er seinem neuen Kollegen dann. „Es ist ja mein erstes Mal als Betreuer , und trotz der gründlichen Schulung bin ich sehr unsicher.“
    „Keine Angst , du bist ja nicht alleine. Zur Not helfe ich gern aus .“
    Aaron schnaufte. „Ich denke nicht, dass das nötig sein wird“, sagte er selbstbewusster als er sich fühlte , und s chaute wieder zur Tür. Von Lilian war nichts zu sehen.
    „Am besten, du näherst dich ihr heute langsam und findest heraus, warum sie genau hier ist . Die Damen reden ja nicht gern über ihre Problemchen und überlassen es lieber uns, das herauszufinden. “ Ralph lachte.
    „Mit der Zeit lernst du aber , auf einen Blick zu erkennen, woran es hapert.“
    Aaron zog eine Braue hoch und mus terte sein Gegenüber misstrauisch. „Willst du mir jetzt erzählen, dass du einer Frau ansehen kannst, was für sexuelle Defizite sie hat? Wenn man das überhaupt so nennen will ...“
    „Klar! Ich sehe sofort, ob eine Frau selbstsicher ist, ob sie Komplexe hat w egen ihres Körpers, eine unterdrückte Neigung, katholische Erziehung, oder ob sie einfach nur unerfahren ist.“
    Prahlhans! Aaron traute sich das nicht einmal nach einer monatelangen Beziehung zu. Allerdings hatte er damit bislang auch wenig Erfahrung; die meisten Affären waren kurz und heftig gewesen, und weil er sich schnell langweilte und das Angebot obendrein nicht klein war , hatte er sie in der Regel rasch beendet und war zur nächsten Blüte geflattert.
    Lilian war anders. Sie faszinierte ihn nun schon seit Wochen, allein durch ihre Worte, die Gedanken, die sie mit ihm teilte. Selten hatte eine Frau ihm einen so tiefen Einblick in ihre Seele gegeben, und das ganz ohne Sex. Wäre sie nach einem Treffen immer noch so offen gewesen? Oder gab ihr die Anonymität im Internet Sicherheit?
    Er wusste es nicht, aber er musste herausfinden, woran er bei ihr war . Und er musste in den sauren Apfel beißen und ihr irgendwann reinen Wein einschenken. Je früher, desto besser, sonst wäre sie - völlig zu Recht - stinksauer auf ihn, wenn sie erst später herausfände, was er getan hatte.
    Wie sollte er diese Lüge jemals aufklären? Er hatte sie belogen, und nicht nur das - auch ausspioniert. Würde sie ihm das überhaupt jemals verzeihen? Es gab nur eine Möglichkeit - er musste sie so sehr von sich einnehmen, dass sich diese Frage nicht mehr stellen würde.
    Seine Handflächen waren feucht geworden. Sie war klein und zierlich, wie eine Elfe. Nur ihr runder Hintern, der sich so appetitlich unter dem Kostümrock abgezeichnet hatte, zeugte von einer enormen Sinnlichkeit . Er hätte am liebsten gleich mit beiden Händen in die vollen Backen gegriffen und sie massiert.
    Sie hatte ihm geschrieben, dass sie nicht groß sei, aber er hatte sich keine wirkliche Vorstellung davon gemacht, bis sie wahrhaftig vor ihm stand.