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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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es mir nicht so ergeht wie Audrey Hepburn.«
    »Auch, ja. Aber eigentlich war es ein Gedicht von John Milton. Sabrina fair, listen where thou are sitting, under the glassy cool translucent wave … Ich habe Milton geliebt. Aber als ich hörte, was dir passiert ist, habe ich einen Moment geglaubt, dass es dein Name sein könnte, der dieses Unglück angezogen hat.«
    Franziska hatte noch nie von ihrer Liebe zu Gedichten erzählt. Es musste lange her sein, dass sie sie gelesen hatte, denn Sabrina war das nie aufgefallen. Es war erstaunlich, an der eigenen Mutter einen Wesenszug zu erkennen, den man bei seiner Freundin als ziemlich cool bewundert hatte.
    »Ich war sechzehn Jahre jünger und sehr, sehr romantisch«, sagte Franziska, als ob sie sich dafür entschuldigen wollte. »Sabrina war der Legende nach eine Königstochter, die in Wales ertrunken ist und sich in eine Nymphe verwandelte. Das Wort geht zurück auf die Kelten und bedeutet Fluss. Ich fand den Namen damals wunderschön. Aber seit gestern macht er mir Angst.« Der Griff ihrer Hand wurde fester. »Lass es los, Sabrina. Lass Amelie gehen. Und Kilian auch. Schau in die Zukunft. Leb dein Leben. Vergiss nicht, aber verliere dich auch nicht.«
    Sabrina nickte kaum merklich mit dem Kopf. Sie hörte, wie Franziska leise aufatmete.
    »Was gab’s denn zu essen?«, fragte sie und ließ ihre Hand los.
    »Spaghetti Bolognese.«

    »Ich weiß gar nicht, wohin mit Beates Buffet. Eigentlich wollte ich dich heute Abend zum Essen einladen. Aber daraus wird wohl nichts. Du sollst noch ein paar Tage hierbleiben, und die Reste eurer legendären Silvesterparty reichen noch Monate.«
    Sie zupfte an der Bettdecke herum. Da war noch etwas, das herauswollte.
    »Warum wolltest du mich einladen?«
    Franziska holte tief Luft. »Ich habe ein Angebot bekommen. Für den Weinberg. Kreutzfelder will ihn kaufen. Vielleicht sollten wir das tun?«
    Etwas klingelte in Sabrinas Kopf. Sie sah sich auf einer Treppe stehen und Lukas wütend anschreien. Aber sie konnte sich nicht erinnern, was sie ihm an den Kopf geworfen hatte. Voller Zorn war sie gewesen. Hatte das etwas mit Dobersteins Jüngstem zu tun?
    »Noch nicht«, antwortete sie. »Weißt du, im Herbst bei der Lese, als die Steine von oben runterkamen, da war ich doch dort. Ich würde gerne das Gutachten abwarten.«
    Franziska sah sie nachdenklich an. »Heißt das, du würdest dich mit ihm anfreunden können?«
    Etwas schmerzte in Sabrinas Herz. Doch es war nicht mehr so schlimm wie im Sommer. Damals waren Amelies Träume auch ihre gewesen. Jetzt, ein halbes Jahr später, war alles anders. Vielleicht war es ja gar nicht so schlecht, zu wissen, wohin man gehörte. Vielleicht war es sogar gut, viel besser, als herumzuvagabundieren ohne Heimat und Ruhe, nur um einfach unterwegs zu sein. Nicht der Weg war das Ziel. Das Ziel hatte einen Weg, und den musste man irgendwann einschlagen.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte sie. »Lass mir Zeit.«
    Franziska beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Soviel du willst.«
     
    Zwei Tage später wurde Sabrina entlassen. Als sie zurück in ihr Zimmer kam, fühlte sie sich, als ob sie Jahre weggewesen
wäre. Die Erinnerung an die Silvesternacht verblasste mehr und mehr. Lukas hatte öfter angerufen. Er klang fast schüchtern am Telefon. Als er bestätigte, dass sie sich gestritten und kurz vor dem Unfall getrennt hatten, heulte er fast.
    »Ich hätte dich nicht gehen lassen dürfen!«, sagte er. »Dieser dämliche Streit. Es tut mir so leid!«
    »Worum ging es eigentlich?«
    Lukas schwieg einen Moment. »Weißt du das wirklich nicht mehr?«, fragte er schließlich.
    »Nein. Ich kann mich an alles erinnern bis zu dem Moment auf der Treppe. Dann ist mein Hirn leer wie eine taube Nuss.«
    »Euer Weinberg. Mein Vater hat es so hingestellt, als ob er mich auf dich angesetzt hätte. Ich könnte dich jetzt anlügen und dir alles Mögliche erzählen. Aber eines Tages wirst du dich erinnern und dann will ich nicht als Lügner dastehen.«
    »Und?«, hatte Sabrina gefragt. »War es so?«
    »Nein. Es war nicht so. Ich liebe dich.«
    Sabrina war nach diesem Telefonat sehr nachdenklich. Noch nie hatte jemand diese drei Worte zu ihr gesagt. Sie klangen ernst und aufrichtig. Er hatte ihr das Leben gerettet. Er hatte sie bei der Polizei herausgepaukt. Er hatte ihr immer und immer wieder geholfen. Was, zum Teufel, hielt sie davon ab, sich in ihn zu verlieben?
    Sie schlich um ihren Nachttisch und seine

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