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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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stand auf und schob wütend einen Stuhl zur Seite. »Ach ja? Und das alles macht mich schon zum Mörder?«
    »Was ist passiert? Kilian!« Sabrina schrie fast. »Ich wäre doch nicht hier, wenn ich dir nicht trauen würde!«
    »Amelie hat mir ja schließlich auch vertraut. Und sie ist tot. Wer sagt denn, dass du nicht die Nächste bist?« Er legte beide Hände auf die Tischplatte und beugte sich zu ihr. »So ganz allein, keiner, der dich hört oder sieht …« Seine Augen funkelten vor Wut und Enttäuschung. »Oder bist du nur hier, weil du dich sicher fühlst? Wartet die Polizei schon draußen? Hast du sie gleich mitgebracht?«
    »Nein. Hör mir doch zu!« Sie wäre am liebsten aufgestanden und hätte das Gespräch mit einer Umarmung ungeschehen gemacht, aber sie traute sich nicht. Sie saß da wie erstarrt und konnte nur hoffen, dass er ihr glaubte. »Ich will doch nur die Wahrheit wissen.«
    »Die Wahrheit? Willst du das wirklich?« Er packte sie und zog sie hoch. »Bist du sicher? Ja? Dann komm. Ich zeige dir die Wahrheit.«
    Er schob sie vor sich her in den engen Flur. Die Tür am Ende war verschlossen. Plötzlich begann Sabrina zu zittern. Sie wollte nicht noch einmal in dieses schreckliche Zimmer.
    »Nein!« Sie blieb stehen.
    Kilian drängte an ihr vorbei und riss die Tür auf. Der Farbgeruch schlug ihr entgegen. Sie sah in einen weißen Raum, so weiß nach dem Dämmerdunkel unter Deck, dass er strahlte, als würde dort eine Neonlampe brennen.
    »Was ist das?« Staunend trat sie ein.
    Die Wände waren frisch gestrichen. Jemand hatte den Fußboden geschrubbt und die Fenster geputzt. Von der schrecklichen
Blutspur war nichts mehr zu sehen. Die Kajüte war leer, hell, freundlich und unschuldig.
    »Hast du das gemacht? Wann denn?«
    »In den letzten Tagen. Ich habe viel zu lange damit gewartet.« Er setzte sich auf den Fußboden. Altes, ausgetretenes Linoleum, aber blitzsauber.
    Sabrina ging zu ihm. »Warum hast du gewartet? Erzähle es mir.«
    Er rieb mit dem Finger über die Fußbodenleiste. Ein Hauch weißer Farbe blieb an der Kuppe haften und er zerrieb sie nachdenklich. »Ich wusste nicht mehr, was Albtraum war und was Wirklichkeit. Ich wollte mit niemandem darüber sprechen, was passiert war. Ich war fast noch ein Kind, als ich Zeuge wurde, wie mein Vater seine Frau umgebracht hat, und ich habe danach zwei Jahre lang kein Wort gesagt. Mein Vater hatte einen gerissenen Anwalt, der Publicity wollte. Er hat alles versucht, um mich in die Enge zu treiben. Das Zimmer hier wurde versiegelt und die Sehnsucht lag so lange in Koblenz im Hafen. Als mein Vater sich in der Zelle erhängt hat, habe ich sie geerbt. Danach habe ich wieder angefangen zu sprechen. Aber viel war es nicht gerade.«
    Sabrina setzte sich neben ihn. Sie fragte sich, wie er reagieren würde, wenn sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte. Dann machte sie es einfach.
    Er gab ihr einen Kuss auf die Schläfe.
    »Und deine Mutter?«
    »Als ich drei war, ist sie in Rotterdam auf ein anderes Schiff. Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört.«
    Sie schwieg. Sie fühlte so sehr mit ihm, dass sie fast in Tränen ausgebrochen wäre. Schließlich fragte sie: »Und wie wurde aus der Sehnsucht die Désirée?«
    »Ich kam in ein Schifferinternat. Der Ranger hat sich um das Schiff gekümmert. Mein Onkel, wenn du so willst. Er war mein Vormund, aber wir haben nie viel miteinander zu tun gehabt. Immerhin hat er es in Koblenz abgeholt und zur Werth gebracht. Es war ja das Einzige, was ich noch hatte.
Später, als es dort nicht mehr liegen konnte, hat er es hierher überführt. Irgendwann wollte er es mal verschrotten, aber ich habe es ihm verboten. Ich wollte, dass alles so bleibt, wie es ist. Ich musste herausfinden, was mit meiner Erinnerung los ist. Jahrelang hat man versucht, mir einzureden, dass ich Schuld an allem hätte. Ich wäre eifersüchtig auf die neue Frau und schon immer jähzornig und aggressiv gewesen. Ein Gutachten nach dem anderen wurde erstellt. Fragen, Antworten, alles prasselte auf mich ein. So lange, bis ich fast selbst daran geglaubt habe. So ganz traue ich mir immer noch nicht.«
    Vor dem Fenster schreckte ein Vogel hoch. Mit einem lauten Schrei flatterte er auf und flog davon. Kilians Blick wanderte traumverloren hinaus.
    »Ich wäre nicht verurteilt worden, weil ich zu jung war. Manchmal frage ich mich, ob alles anders geworden wäre, wenn ich gelogen und einen Mord gestanden hätte, den ich nicht begangen habe. Vielleicht wäre mein Vater

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