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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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ihrem Element. Sie fuhren hundertzwanzig, und erst als sie die Abfahrt Neuwied hinter sich gelassen hatten,
ging sie herunter vom Gas. In diesem Moment klingelte ein Handy.
    Beate griff in ihre Jackentasche und warf stirnrunzelnd einen Blick auf das Display. »Shit. Meine Mutter. Nimmst du mal?« Sie reichte Sabrina das Handy.
    »J … ja? Doberstein, am Apparat von Seiters.«
    »Bist du es, Sabrina? Ist Beate in der Nähe?«
    »Ja«, antwortete Sabrina. »Aber sie kann jetzt nicht. Soll ich ihr was ausrichten?«
    »Unser Cabrio ist weg! Hat sie da ihre Finger im Spiel?«
    Sabrina wandte sich an Beate, doch die legte nur den Finger auf den Mund und schüttelte wie wild den Kopf.
    »Äh … Frau Seiters?«
    »Sabrina? Wo ist Beate?«
    »Sie kommt gleich. Kann sie Sie zurückrufen?«
    »Ich will wissen, wo das Auto ist. Sonst rufe ich die Polizei!«
    Sabrina reichte Beate das Handy, doch die weigerte sich, es anzunehmen.
    »Ich bin gleich wieder da!«, schrie sie in den Fahrtwind.
    Sabrina hob den Apparat wieder ans Ohr.
    »Ich gebe dir zehn Minuten! Beate! Wenn du dann nicht wieder hier bist, setzt es was! Beate?«
    »Frau Seiters?« Sabrina hielt das Handy auf Armlänge weg von sich. »Ich kann Sie kaum verstehen! Hallo? Hallo!« Sie beendete die Verbindung. »Deine Mutter ruft die Bullen.«
    »Das sagt sie jedes Mal.« Ungerührt trat Beate aufs Gas. Der Wagen schoss vor, die Ausfahrt Vallendar kam in Sicht. »Und dann bringt sie es doch nicht übers Herz. Alte Juristenfamilie. Polizei ist tabu bei uns. Das wird anders geregelt.«
    Sie bremste und bog ab. Die Ausfahrt machte einen weiten Bogen, dann kamen sie an eine Kreuzung, an der die Altstadt, das Gewerbegebiet und ein Campingplatz ausgeschildert waren. Beates Handy klingelte wieder.
    »Willst du nicht rangehen?«
    »Bloß nicht. Campingplatz, hat Opa gesagt. Dann mal los.«

    Die Straße führte schnurgerade und frisch asphaltiert durch einen spärlichen, von Brachflächen durchzogenen Wald. Rechts konnte Sabrina ab und zu einen Blick auf Häuser und Lagerhallen erhaschen, dann schoben sich die Stämme wieder näher zusammen, und bald verengte sich auch der Weg. Die Piste wurde holperig, und als sie eine weitere Kreuzung erreichten, klingelte das Handy wieder.
    »Geh ran«, bat Sabrina eindringlich.
    Mit einem Seufzer meldete sich Beate. »Ja? … Nein, ich bin – … Woher? Mama! Das ist nicht dein Ernst! … Ich verspreche dir … Hallo? Hallo! – Mist, verdammter!« Sie steckte das Handy ein. »Sie hat mich über Track your kid geortet. Track your kid ! Damit fängt man Vierjährige ein, die sich auf dem Spielplatz verlaufen haben!«
    Sabrina hatte einen Spruch auf den Lippen, in dem Beate, Vierjährige und ein Topf zum Hineinwerfen vorkamen, ließ es dann aber bleiben.
    Beate trommelte nervös mit den Fingern aufs Lenkrad und spähte in Richtung Campingplatz. »Ich habe die Wahl. Entweder zurück oder sie schickt die Bullen.«
    »Hierher?«, schrie Sabrina. »Da hätten wir ihnen ja gleich sagen können, wo Kilian steckt!«
    »Eben. Steig aus.«
    Sabrina schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bleibe bei dir und stehe das mit deiner Mutter mit durch.«
    »Das tust du nicht. Wofür der ganze Ärger, wenn nichts dabei herauskommt? Du gehst alleine zu ihm. Aber wenn du dich in einer halben Stunde nicht meldest, rücke ich hier mit einer ganzen Kompanie an.«
    Plötzlich sah Beate sie sehr ernst an. »Du hast gesagt, du glaubst an ihn.«
    »Das tue ich.«
    »Dann mach dich auf die Socken.«
    Sabrina wog in Windeseile das Für und Wider ab. »Okay. Alles Gute.«
    »Dir auch«, antwortete Beate. »Pass auf dich auf. Und bring
ihn dazu, sich zu stellen. Das ist immer das Beste, glaube mir. Alte Richterweisheit.«
    Sabrina stieg aus. Beate wendete den Wagen, der inzwischen nicht mehr ganz so sauber aussah, sondern mit Matsch und Straßendreck bespritzt war, und fuhr zurück. Mit einem Seufzer machte sich Sabrina auf den Weg. Bis zum Campingplatz war es eine gute Viertelstunde Fußmarsch, auf dem sie keinem Menschen begegnete. Als sie das umzäunte Areal erreichte, wusste sie auch warum: Er öffnete erst wieder im Mai.
    Es war ein hübscher Platz, weitläufig, mit Tischtennisplatten und einem Beachvolleyballfeld unten am Wasser, wo einsame Bootsstege auf Stelzen hinein in den stillen Fluss ragten. Das musste der äußerste Zipfel des alten Hafens sein, eine dieser kleinen, längst aufgegebenen Anlagen, die aus dem neunzehnten Jahrhundert stammten und höchstens noch

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