Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
Vom Netzwerk:
dann noch am Leben.«
    »Vielleicht. Aber es hätte dein Leben für immer zerstört.« Sabrina strich ihm zart eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Das also ist die Geschichte vom toten Fluss.«
    Kilian nickte. »Ich habe mein Binnenschifferpatent gemacht. Dann bin ich mit der Désirée losgefahren. Einmal den Rhein rauf und wieder zurück. Mein Onkel hat dafür gesorgt, dass ich nicht auffiel. Die Menschen am Fluss kennen sich. Sie mögen sich nicht immer, aber es waren viele Augen, die weggesehen haben, wenn ich vorüberkam. Es gibt überall kleine Buchten und Seitenarme, in denen man für ein paar Tage vor Anker gehen kann. Ich brauchte diese Zeit, um herauszufinden, ob ich meine Vergangenheit annehme oder ob ich sie vernichte.«
    Sabrina hob den Kopf und schaute auf die weißen Wände. »Sieht ganz so aus, als ob du anfängst, mit ihr klarzukommen.«
    »Ja. Das dachte ich auch, bis zu dem Tag, an dem ich dich gesehen habe.«

    Sabrinas Herz machte einen völlig unvernünftigen Sprung. »Auf dem Markt?«
    »Auf dem Markt.«
    Also doch. Sein Blick hatte ihr gegolten, und Amelie, die direkt hinter ihr gestanden hatte, hatte ihn auf sich bezogen. Sabrina konnte es ihr nicht übel nehmen. Amelie hatte von allem erwartet, dass es ihr galt.
    »Ich habe geglaubt, ich hätte eine Erscheinung, als ihr beide plötzlich an Bord aufgekreuzt seid«, fuhr er fort. »Und als du im Flur gestanden hast, so nah bei mir, da war etwas … Ich wollte dich beschützen, vom ersten Moment an. Vor diesem Raum, vor allem, was darin passiert ist, und vor mir.« Er nahm sie in die Arme und küsste sie. Sabrina saß immer noch mit geschlossenen Augen da, als er sie zärtlich losließ und weitererzählte. »Ich war ziemlich enttäuscht, als Amelie am Abend alleine wiederkam. Sie sagte, du wärst bei deinem Freund.«
    »Was?« Sabrina riss die Augen auf. »Ich habe gar keinen Freund.« Nicht mehr, dachte sie. Aber diese komplizierte Geschichte wollte sie Kilian jetzt nicht näherbringen. »Und mir sagte sie, du hättest ihr gesagt, du würdest sie gerne alleine sehen.«
    Kilian lächelte. »Kein schlechter Versuch. Aber glaube mir, jemand wie Amelie hätte dieses Schiff nach drei Tagen schreiend verlassen. Sie wollte das Abenteuer, die große weite Welt, und so ein Typ bin ich nicht.«
    Sabrina wusste nicht, warum es sie so glücklich machte, das zu hören.
    »Ich war enttäuscht, denn ich hatte das Gefühl gehabt, dass etwas zwischen dir und mir passiert ist. Was sollte ich mit einer Frau wie Amelie, die nett war, hübsch, deine Freundin und der ich wirklich nichts Böses nachsagen kann, die mich aber überhaupt nicht interessiert hat? Sie ist gegangen. Und für mich war klar, dass es Zeit war, die Segel zu streichen. Ich habe die Werth noch am selben Abend verlassen.«
    Sabrina strahlte ihn an. Plötzlich war alles so einfach. Sie
konnte ihn küssen, ohne sich zu fragen, ob das auch das Richtige war. Es war das Richtige. Du fühlst es, wenn es richtig ist. Doch dann legte sich ein Schatten auf ihre Gedanken. »Wenn sie nicht gegangen wäre …« Sabrina brach ab.
    »Dann wäre sie vielleicht noch am Leben. Ich weiß.« Kilian legte die Hand über die Augen, vielleicht weil er seine eigene Traurigkeit vor Sabrina verbergen wollte. »Irgendwie scheint dieses ›Wenn – dann‹ mein Schicksal zu sein. Das meinte ich damit, dass ich es bereue. Ich habe sie weggeschickt. Sie ist ihrem Mörder direkt in die Arme gelaufen. Wenn ich das gewusst hätte … Ich habe erst viel später erfahren, was passiert ist.«
    Er wandte sich ab. Sabrina kannte diese Schuldgefühle. Sie hatte sich genau diese Fragen oft genug selbst gestellt. Das Einzige, was blieb, war die Gewissheit, dass es keine Antwort gab und nichts auf dieser Welt, was es leichter machen würde.
    Plötzlich hob Kilian den Kopf. Er sah zur Tür und sprang auf. Noch bevor Sabrina sich ebenfalls aufrappeln konnte, hörte sie Schritte an Deck.
    »Wer ist das?«, fragte Kilian. Seine Augen waren gerötet, er fuhr sich nervös mit beiden Händen durch die Haare. »Wer weiß, dass ich hier bin?«
    »Niemand«, flüsterte sie.
    Die Schritte näherten sich der Treppe.
    »Hallo? Ist jemand an Bord?«
    Sabrina versteckte sich hinter Kilians Rücken. Ein Mann kam langsam und vorsichtig die Treppe herunter. Er trug derbe Stiefel und den dunkelblauen Overall der Wasserschutzpolizei. Der Lichtkegel seiner Taschenlampe wanderte über die Wände, bis er Kilian und Sabrina erreichte. Sie hob die Hand, um sich

Weitere Kostenlose Bücher