Lilienblut
platzten beinahe, so lustig fanden sie, dass ihr Anführer sich traute, ein Mädchen anzusprechen. Amelie streifte sie mit einem hochmütigen Blick und drehte sich auf den Rücken.
»Lust auf ein Eis? Oder was anderes?«
Die beiden Jungens, dünn und blass wie Spargel, prusteten los.
»Verschwinde, Michi,« gab Amelie gelangweilt von sich. »Du fällst noch unter den Jugendschutz. Ich will mich doch nicht strafbar machen.«
Michi, der größte von den dreien, war im gleichen Alter wie Sabrina. Andernach war klein, man lief sich immer irgendwo über den Weg. Sabrina hatte das Gefühl, dass sie ihn schon einmal gesehen hatte. Michi ereilte diese Eingebung wohl im gleichen Moment. Er spürte, dass seine Schlappe
mehr Zeugen bekam, als er erwartet hatte, und wurde rot bis zum Haaransatz.
»Hey, das war nur nett gemeint. Kein Grund, gleich auszurasten.«
Er reihte sich wieder in die Mitte ein und suchte sich mit seinen Freunden einen Platz außer Sichtweite.
»Was ist denn los mit dir?«, fragte Sabrina. »Das war doch ein netter Versuch.«
Amelie setzte sich wieder auf. »Eben. Und nicht der erste. Warum glaubt eigentlich jeder, ich wäre ein Experimentierkasten? Dich quatscht keiner blöd an.«
Sabrina seufzte. Sie wurde weder blöd noch intelligent, sondern schlicht gar nicht angequatscht.
Amelie schob die Sonnenbrille wieder herunter auf ihre unvergleichliche Nase. Sie war schmal und gerade, genau so, wie ein Klassiker auszusehen hatte. Nicht knubbelig wie eine Waldgnom-Nase, dachte Sabrina verbittert und erinnerte sich an die vielen Male, die sie vorm Spiegel gestanden und versucht hatte, irgendetwas an ihr in Form zu bringen. »Was hast du eigentlich? Ist was mit Lukas?«
Lukas Kreutzfelder, der Sohn des Bimsbarons. Etwas schien zu laufen zwischen den beiden, jedenfalls hatte Amelie verträumt von einigen Treffen berichtet. Das letzte sollte am vergangenen Abend stattgefunden haben. Und es hatte, dem verschlossenen Gesichtsausdruck Amelies nach zu urteilen, nicht das gewünschte Ergebnis gebracht.
»Wie war es denn?«
»Schön«, sagte Amelie. Es klang nach dem genauen Gegenteil.
»Wie schön? Nun sag schon!«
»Er wollte mir an die Wäsche. Aber ich habe keine Lust mehr auf One-Night-Stands. Ich kenne doch das ganze Programm. Erst holen sie dir die Sterne vom Himmel, und wenn sie haben, was sie wollen, siehst du sie nie wieder.« Eine kleine, steile Falte bildete sich auf Amelies Stirn.
Sabrina seufzte. Sie hätte sich so gewünscht, dass Amelie
auch einmal Glück in der Liebe gehabt hätte. Tatsächlich waren fast alle nach kurzer Zeit auf und davon gegangen. Vielleicht lag es daran, dass sie sich immer die Falschen ausgesucht hatte. Immer ein bisschen zu laut, immer mit Auto, Geld und einer schnodderigen Lässigkeit, wie sie nur Kerle hatten, für die das Leben ein Freizeitpark mit endlosen Öffnungszeiten war.
»Und deshalb fahre ich jetzt eine andere Strategie.«
»Ah, eine Strategie? Gibt es die?«
»Ja«, antwortete Amelie zufrieden. »Ich schweige wie ein Grab und halte mich zurück. Wenn er was von mir will, muss er schon ein bisschen mehr investieren als eine Flatrate-SMS.«
Sie holte ihr Handy heraus und zeigte Sabrina den Nachrichteneingang.
Sehen wir uns heute Abend?
Warum meldest du dich nicht?
Hey, meine Sonne, wo steckst du?
Amelie schüttelte den Kopf. »Meine Sonne, pfffff. Wo hat er das denn her?«
Vom Fluss her drang ein brüllendes Röhren. Ein Motorboot schoss wie ein Pfeil in die Strommitte, genau dorthin, wo es verboten war. Der Fahrer wendete und ließ eine breite Fontäne Wasser aufspritzen.
Amelie legte die Hand vor die Augen. »Spinner.«
Auch die anderen wurden aufmerksam. Das Boot vollführte einige waghalsige Manöver, bevor es die Krippen entlang das Ufer abfuhr. Der aufdringliche Lärm kam näher. Immer wieder heulte der Motor auf, bis selbst die Letzten hinter den Silberweiden die Hälse reckten. Nur Amelie tat so, als ob sie mit ihrem Handy im Internet surfen würde. Der Lärm brach ab. Sabrina sah, wie der Bootsführer das Ufer absuchte und sein Blick ausgerechnet an dem Hanfbadetuch hängen blieb.
»Amelie!«
Lukas Kreutzfelder. Er trug eine dieser unerträglichen Kombinationen aus rosa Poloshirt zu weißen Jeans. Um die
Schultern hatte er einen dünnen Pullover geknotet, was wohl ungeheuer lässig aussehen sollte, aber ziemlich schnöselig wirkte. Er war ein im landläufigen Sinne gut aussehender Mann, einen Tick zu füllig, ein bisschen zu blond,
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