Lilientraeume
sie sich vor lauter Müdigkeit kaum auf den Beinen halten konnte, sah sie ihn mit einem Lächeln an. »Du bist unglaublich süß, Owen. Ich würde dich nehmen.«
»Als was?«
»Als meinen gerechten Anteil. Gute Nacht.«
»Okay. Vergiss nicht zuzusperren, Avery.«
Er wartete draußen, bis ein leises Klicken ihm verriet, dass die Tür von innen verschlossen war.
Ihren gerechten Anteil? Was mochte sie damit meinen, fragte er sich, während er kopfschüttelnd die Treppe hinunter und zum Parkplatz ging.
Er warf einen letzten Blick auf ihre Fenster und stieg in seinen Wagen. Die ganze Fahrt über bis nach Hause meinte er, den Zitronenduft ihrer Haare zu riechen.
3
Am nächsten Tag hielt Avery nichts mehr. Sobald sie für eine Weile im Restaurant abkömmlich war, zog sie eilig ihren Mantel an, stülpte eine Skimütze über ihr Haar und stürzte quer über die Straße zum Hotel.
Auf dem Parkplatz stand ein Möbelwagen – es ging also tatsächlich los. Perfekt, dachte sie, jetzt bekam sie das Beste doch noch mit. Drinnen herrschte wie gewohnt reges Treiben. Die einen rannten mit Bohrern und Nagelpistolen herum, die anderen strichen hier und da Decken und Wände nach. Möbelpacker sah sie keine. Offenbar benutzten sie die offene Hintertreppe bei den Balkonen.
Das Erste, was ihr auffiel, war das neu installierte bronzene Treppengeländer. Avery stieß einen Schrei des Entzückens aus. So laut, dass Ryder es trotz des Lärms ringsum hörte und seinen Kopf durch die Tür des Speisesaals steckte.
»Tu mir einen Gefallen und geh nicht über diese Treppe rauf. Luther und seine Leute wollen mit dem Versiegeln anfangen.«
»Kein Problem«, sagte sie, »ich geh außen rum, aber erst will ich schauen, was sich hier unten getan hat.« Sie ließ die Augen durch die Lobby wandern, schlenderte zum Speisesaal und blieb wie gebannt in der Tür stehen. »Mein Gott, Ry, ist der Leuchter schön. Einfach umwerfend.«
»Und vor allem sauschwer.« Obwohl Ryder Montgomery nicht zu Begeisterungsstürmen neigte und alles gerne herunterspielte, sah Avery ihm an, dass ihm die ausgefallene Deckenlampe mit den eichblattförmigen Armen und den großen, eichelförmigen Birnen ausnehmend gefiel. »Du hast recht«, sagte er, »das Ding sieht wirklich nicht übel aus.« Aus seinem Mund ein großes Lob.
»Komm, gib’s zu. Der Leuchter sieht einfach fantastisch aus. Und die Lampen an den Wänden stehen ihm nicht nach. Es ist wirklich unglaublich, wie viel seit meinem letzten Besuch passiert ist. Und das alles in ein paar Tagen. Jetzt bin ich gespannt auf die Fortschritte oben. Ist Hope im Haus?«
»Soviel ich weiß, ja. Vermutlich im zweiten Stock, der nach dem Willen meines Bruders heute unbedingt eingerichtet werden soll. Als ob das nicht Zeit hätte.« Ryder schüttelte den Kopf. »Und die Weiber machen ein Riesenaufheben wegen der paar Möbel.«
Avery knuffte ihn in die Seite. »Alter Miesepeter«, sagte sie liebevoll, bevor sie davonrannte. Draußen empfing sie wieder eisige Kälte, und sie blies weiße Atemwölkchen aus, als sie über die Außentreppe nach oben hastete. Im ersten Stock machte sie kurz halt und warf einen Blick in die Westley-und-Butterblume-Suite, bevor sie den weiblichen Stimmen in die obere Etage folgte.
Alle schienen sich im »Penthouse« aufzuhalten, und als sie dort eintraf, blieb ihr der Mund vor Staunen offen stehen. Hope und Justine waren gerade damit beschäftigt, für zwei mit Seidenstoff bezogene Beistellsessel den passenden Platz zu finden. Das goldene Muster auf blauem Untergrund griff den dunklen Goldton des geschwungenen Sofas auf, während die zahlreichen Kissen, die Carolee im Arm hielt, beide Farbtöne in unterschiedlichen Schattierungen durchspielten.
»Ich denke, wir sollten …« Justine unterbrach sich, als sie Avery entdeckte. »Geh mal zum Fenster und schau dir von dort alles an, ob wir noch etwas ändern müssen.«
»Ich bin vor Ehrfurcht erstarrt. O Gott, Justine. Das Zimmer ist ein Traum.«
»Schon, aber ist das Arrangement ebenso perfekt wie die Möbel selbst? Schließlich will ich nicht, dass unsere Gäste gegen irgendwelche Stühle rennen oder einen Hindernisparcours bewältigen müssen, wenn sie aus dem Fenster sehen wollen. Tu bitte einfach so, als hättest du gerade eingecheckt und wolltest erst mal nach draußen schauen.«
»Okay.« Avery schloss kurz die Augen. »Nun, Alphonse, was meinst du? Ist das Zimmer für eine Nacht in Ordnung?«
»Alphonse?«, erkundigte sich Hope.
»Mein
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