Lilientraeume
So ein Spaßfoto – Ryder hat das super eingefangen. Ach übrigens: Weißt du, dass er gestern Abend drüben bei mir als Bedienung eingesprungen ist?«
»Ryder?«
»Nein. Owen natürlich. Und am Ende hat er mich praktisch rauf in meine Wohnung getragen. So fix und fertig, wie ich gestern war.«
»Er ist einfach ein Schatz.«
»Ja, meistens«, stimmte Avery zu.
»Genau wie Beckett. Kannst du mir mal sagen, warum Ryder so vollkommen anders ist als die beiden?«
Avery zog lachend die Konturen eines der ovalen Waschbecken nach. »Oh, er hat durchaus seine netten Seiten. Man muss nur ein bisschen graben, bis man sie entdeckt.«
»Vermutlich müsste ich Sprengstoff nehmen. Allerdings muss ich zugeben, dass er seine Arbeit gut macht. Er ist ein Tophandwerker. Grundsolide. Zwar ist der ganze Firlefanz, den wir Frauen veranstalten, seine Sache nicht, aber etwas wirklich Wichtiges würde ihm nie entgehen. Egal – er kümmert sich um das eine, wir uns um das andere.«
»Ja, und beides zusammen macht die Sache erst perfekt. In diesem Sinne bis später, so gegen fünf, schätze ich. Jetzt muss ich erst mal los.«
Eilig lief sie über die Außentreppe hinunter auf den Parkplatz, als sie Owen von der anderen Seite herankommen sah.
»Hallo.« Ein Clipboard in den Händen, musterte er sie forschend. »Du siehst heute besser aus.«
»Als wer?«
»Als die lebende Tote von gestern Abend.«
Sie boxte ihm scherzhaft in den Bauch. »Ich schlag nur deswegen nicht richtig zu, weil ich dir etwas schuldig bin. Oder ist das mit dem Trinkgeld abgegolten? Wie viel war’s denn?«
»Locker fünfundzwanzig Dollar – echt nicht schlecht.« Fürsorglich knöpfte er ihr den Mantel zu. »Sag mir bitte, dass Franny und Dave inzwischen wieder auf dem Damm sind.«
»Dave ja oder zumindest teilweise. Franny leider nicht. Es geht ihr zwar ein bisschen besser, aber sie soll lieber noch einen Tag zu Hause bleiben, bevor sie mir erneut schlappmacht.«
»Und was treibst du dich hier herum? Konntest du deine Neugier befriedigen?«
»Ich bin immer noch total geblendet. Meine Güte, Owen, so was Elegantes wie das ›Penthouse‹ hab ich mein Lebtag nicht gesehen.«
»Ich war heute noch nicht oben.« Er blickte hinauf zum zweiten Stock. »Welche Möbel haben sie denn inzwischen aufgestellt?«
»Alle. Im Salon ebenso wie im Schlafzimmer. Und als Nächstes kommt wohl W&B dran. Ab dem Spätnachmittag kann ich euch helfen, weil Dave dann bei mir den Laden schmeißt. Wirst du noch da sein?«
»Mit Sicherheit? Bis alles fertig ist, leben wir ja praktisch im Hotel.«
»Großartig, also bis später.«
Er nahm ihre Hände und rieb sie. »Du solltest wirklich nicht länger in der Kälte herumstehen. Oder Handschuhe anziehen.«
»Danke für den guten Rat, aber in diesem Fall hätte mir niemand meine Finger warm gerubbelt«, sagte sie lachend und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken.
Owens Blicke folgten ihr, als sie über die Straße davoneilte. Sie bewegte sich unglaublich schnell, genau wie früher. Sie hätte bestimmt eine gute Leichtathletin abgegeben, aber sie war lieber Cheerleaderin geworden. Weil die Uniformen einfach hübscher aussahen als ein normaler Sportdress, hatte sie ihm erklärt.
Und sie sah damals wirklich heiß in diesen Sachen aus.
Er fragte sich, ob sie die Uniform wohl aufgehoben hatte, und ob sie darin immer noch so aufreizend wirken würde wie früher. Owen schüttelte den Kopf. Warum zum Teufel stand er hier draußen in der Kälte und stellte mit einem Mal so merkwürdige Überlegungen an? Was sollte das alles?
Er ging ins Haus und stürzte sich in die Arbeit.
Als die Handwerker ihre Sachen packten, um nach Hause zu gehen, verspürte Owen Lust auf ein kaltes Bier. Doch er hatte die Rechnung ohne seine Mutter gemacht.
Statt nach einer Flasche musste er nach einer Kiste voller Bücher greifen und sie nach oben in die Bibliothek schleppen. Es war die erste von vielen. Zum Glück packten beide Brüder mit an.
»Die drei Mädels warten schon auf euch. Sie wischen schnell noch die Regale ab, und dann könnt ihr einräumen.«
»Ja, Ma’am.«
»Warum müssen es, verdammt noch mal, so viele Bücher sein?«, murmelte Ry.
»Weil verdammt viele Regale zu füllen sind«, gab Owen zurück und betrat als Erster den großen Raum.
In der Bibliothek roch es nach Politur und Parfum. Am Ende des Raumes stand Avery auf einer Trittleiter vor einem der beiden Bücherschränke, die den
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