Lilientraeume
du hättest es gewusst oder zumindest geahnt.«
»Nein. Ich würde es dir erzählt haben. Es sei denn natürlich, ich wäre gebeten worden, den Mund zu halten.«
»Verstehe.« Owen nahm sein Glas und starrte in die dunkelbraune Flüssigkeit.
»Und was hat mein Dad gesagt, als du plötzlich in der Küche standest?«
»Dass er sich am besten erst mal was anzieht.«
Sie warf ihren Kopf nach hinten und lachte erneut schallend los.
Owen grinste. »Inzwischen fällt es mir ein bisschen leichter, es ebenfalls von der lustigen Seite zu sehen.«
Avery konnte sich gar nicht beruhigen. »Dein Gesicht … Ich hätte so gerne dein Gesicht in der Küche gesehen, diesen Ausdruck des Entsetzens. Und bestimmt hast du ziemlich herumgestottert.«
Sie kannte ihn einfach zu gut, dachte er. Ihr konnte er nichts vormachen. »Na ja, einen kleinen Aussetzer hatte ich schon. Allerdings habt ihr alle leicht reden – ich bin in die peinliche Situation geraten und nicht ihr. Damit meine ich dich und meine Brüder.
Avery hob lächelnd ihr Glas. »Komm, stoßen wir auf unsere Eltern an.«
»Okay«, sagte er und prostete ihr zu, bevor er trank. »Ein echt seltsamer Tag«, stellte er mit einem Seufzen fest. »Aber zumindest scheinst du nicht mehr sauer auf mich zu sein.«
»Ich war gar nicht sauer auf dich. Oder höchstens ein bisschen. Und inzwischen ist mir klar, dass Sex ein heikles Thema für dich ist.«
»Was?« Jetzt drückte seine Miene ernsthaftes Entsetzen aus. »Stimmt doch gar nicht. Wie kommst du bloß auf die Idee?«
»Siehst du?« Sie zeigte mit einem Finger auf ihn. »Ich brauch nur dieses Wort auszusprechen, und sofort wirst du schreckensbleich. Du hast ganz eindeutig ein Problem mit Sex.«
»Ich hab kein Problem damit. Ich mag Sex. Sogar jede Menge.«
»Komisch. Kaum hast du mich geküsst, tust du, als habe es nicht stattgefunden. Und kaum siehst du, dass sich unsere Eltern küssen, brichst du in totale Panik aus.«
»Nein. Ja. Vielleicht. Verdammt, deswegen hab ich noch lange kein Problem mit Sex. In einer solchen Situation hätte wohl jeder normale Mensch …«
»Du meinst, jeder bekäme da einen kleinen Aussetzer?«
Owen schaute sie böse an. Sie war einfach eine elende Besserwisserin. »Ich glaube nicht, dass es den meisten Söhnen anders ergangen wäre in dieser Situation, und deshalb solltest du dich nicht lustig über mich machen. Und was uns betrifft: Du weißt ganz genau, dass das vollkommen überraschend kam.«
»Fand ich eigentlich nicht. Allerdings hab ich ja auch kein Problem mit Sex.«
Er seufzte. »Avery, bitte nicht schon wieder.«
»Hm.« Sie nippte nachdenklich an ihrem Glas, schlenderte ans Fenster und blickte hinaus. »Oh, jetzt schneit es. Wie hübsch. O Gott! Ich hab noch gar nicht alle Geschenke für Weihnachten gekauft. Und du solltest besser fahren, bevor es auf den Straßen rutschig wird.«
»Augenblick mal.«
Sie sah ihn über die Schulter an. »Ja?«
»Verdammt, du kannst nicht einfach solche Dinge sagen und mich dann nach Hause schicken.«
»War ja nur ein Vorschlag.« Als er auf sie zutrat, nahm sie ihm das Glas aus der Hand. »Du solltest nichts mehr trinken, obwohl du eine Menge verträgst. Trotzdem. Whiskey, Schnee und Autofahren sind keine gute Mischung.«
Mit mühsam unterdrückter Ungeduld wiederholte er: »Ich hab kein Problem mit Sex.«
»Sind wir wieder beim Thema? Meinetwegen, vielleicht hab ich mich ja geirrt. Dann hast du also kein Problem mit Sex.«
»Das sagst du jetzt nur, um mich zu beruhigen.«
»Meine Güte, Owen, kannst du mir endlich verraten, was du von mir willst?« Ihre Augen sprühten Funken, als er ihre Ellenbogen packte und sie wenig sanft auf die Zehenspitzen zog. »Vorsicht«, warnte sie.
»Jetzt kommt es zumindest nicht überraschend«, meinte er und riss sie an seine Brust.
Sie wehrte sich nicht, denn genau das hatte sie mit ihren Worten bezweckt. Und da sie ihn so gut und vor allem schon so lang kannte, wusste sie intuitiv, wie sie es anstellen musste.
Sie verschränkte ihre Hände hinter seinem Kopf. »Jetzt wissen wir, was kommt«, flüsterte sie, und ehe er sich versah, presste sie ihre Lippen auf seinen Mund.
Seine Hände glitten langsam über ihre Arme bis zu ihren Hüften, zogen genießerisch die Konturen ihres Körpers nach. Er drückte sie gegen die Arbeitsplatte und drängte seinen Körper gegen ihren.
Sie hatte ihn manipuliert, doch das war ihm egal. Nur der Augenblick zählte. Er schmeckte den Whiskey auf ihrer Zunge, roch
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