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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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die wir mit unseren Schritten aufschrecken, versuchte sich Lilith selbst zu beruhigen.

    Endlich erreichten sie die kleine Scheune, die genau wie die Villa verfallen und morsch wirkte und an die Friedhofsmauer grenzte. Sie ließ Archie für einen Augenblick los, um den Holzverschlag zu öffnen – und hielt mitten in der Bewegung inne. Hinter der Mauer des Friedhofs war ein Kratzen zu hören, so als ob sich scharfe Krallen in den Stein bohrten und sich daran hocharbeiteten. Lilith stockte der Atem. Plötzlich durchschnitt ein lang gezogenes kehliges Geheul die Nacht. Lilith spürte, wie ihr eine Gänsehaut den Rücken hinaufkroch. Es hörte sich so urtümlich und dunkel an, dass es Lilith an das Heulen eines Wolfes erinnerte. Und es klang so nahe, als ob das Tier direkt neben ihr stehen würde. Archie riss die Augen auf und begann zu scheuen. Lilith wurde aus ihrer Starre gerissen und griff nach den Zügeln. Vorsichtig zog sie das Pferd zu sich.
    »Ganz ruhig«, flüsterte sie ihm zu. »Es ist alles in Ordnung. Ich bin bei dir!« Sie strich dem verängstigten Pferd über die Nüstern. Sie hoffte, dass Archie nicht bemerkte, wie sehr dabei ihre Finger zitterten. Sie lehnte ihren Kopf an seine Stirn und gemeinsam mit dem Tier lauschte sie in die Nacht.
    Stille.
    Grabesstille.
    Selbst das nächtliche Rascheln im Unterholz war verschwunden.
    Alles um sie herum schien den Atem anzuhalten.
    Da war nur Archies unruhiges Schnauben.
    Und das Pochen ihres Herzens in ihren Ohren.
    Das Kratzen an der Mauer war genauso verschwunden wie das Tier, das diesen schauerlichen Laut ausgestoßen hatte.

    Lilith atmete auf.
    Sie brachte Archie in die Scheune, die von einer schwachen Glühbirne erhellt wurde. Sie schaffte es sogar, Archie von seinem Zaumzeug zu befreien, und stellte ihm einen Eimer mit Futter in die mit Heu ausgelegte Box. Nachdem sie die Tür zur Scheune wieder geschlossen hatte, musste sie sich beherrschen, um den zugewucherten Weg nicht blindlings zurückzurennen. Erst als sie – nach einer halben Ewigkeit, wie ihr schien – vor dem Seiteneingang der Villa angekommen war, spürte sie, wie die Anspannung nach und nach ihren Körper verließ.
    Lilith betrat das Haus und blieb überrascht stehen. Durch das abschreckende Äußere der Villa hätte sie nicht erwartet, solch eine Küche vorzufinden. Zwar war auch hier die Einrichtung alles andere als neu, doch die alten dunkelroten Bodenfliesen und eine offene Feuerstelle, in der noch einige fröhliche Flammen züngelten, strahlten eine urige Behaglichkeit aus. Mildred saß an einem blank polierten Holztisch und unterhielt sich gerade mit einem älteren Mann, der gemütlich an seiner Pfeife paffte. Ihr Getuschel verstummte in dem Moment, als Lilith eintrat.
    Die Wände waren weiß getüncht und mit getrockneten Gräsern, Pfannen und Küchenutensilien geschmückt. Ein angenehmer Duft erfüllte das Haus, der von den Blumensäckchen stammen musste, die von den Holzbalken der Decke baumelten.
    »Das riecht gut!«, sagte Lilith in die Stille hinein.
    »Jasminblüten!«, informierte Mildred sie und stand auf.

    Der ältere Mann kam Lilith mit einem freundlichen Lächeln entgegen. Er hatte einen weißen Vollbart und trug eine braune Strickweste über dem beleibten Bauch.
    »Ich bin Arthur Bennet. Willkommen!«, sagte er herzlich. Er streckte ihr die Hand zur Begrüßung hin. »Ich hoffe, du hast keinen allzu festen Händedruck – wegen meiner Gicht schmerzt es manchmal!«
    »Keine Sorge, ich werde vorsichtig sein«, versprach Lilith – und doch stieß sie nur einen Augenblick später einen entsetzten Schrei aus. Sie hielt Arthurs abgetrennte Hand in ihrer rechten und dieser ging mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Knie!
    »Meine Hand, gib mir meine Hand zurück«, stammelte der alte Mann.
    Völlig geschockt hielt Lilith sie ihm entgegen. Er drehte sich für einen Moment weg und wandte sich dann mit erhobenen Händen wieder zu Lilith um. »Na bitte, alles wieder beim Alten«, strahlte er. »Du hast ganz schön viel Kraft!«
    »Das … das war ein Scherz?«
    »Ich hoffe, du nimmst mir den kleinen Spaß nicht übel!«, bat Arthur sie augenzwinkernd. »Ich möchte nur in Übung bleiben für die Touristen. Ich mache als Zombie beim allabendlichen Halloweenspektakel mit.«
    Lilith lachte erleichtert auf. »Das war täuschend echt. Wie haben Sie das gemacht?«
    »Ich werde dir doch nicht meine Tricks verraten!«, tönte Arthur empört. »Aber Respekt, junge Dame, du hast Mut! Die

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