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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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sie ihren Satz.
    Einige Minuten drang außer dem Ticken der Standuhr kein einziges Geräusch aus dem Arbeitszimmer. Es war so still, dass Lilith kaum wagte zu atmen. Schließlich glaubte sie ein leises Schniefen zu hören.
    »Ein sturer Idiot, den ich auch noch vermisse«, flüsterte Mildred so leise, dass es Lilith fast nicht hatte hören können.
    Lautlos wandte sich Lilith um. Wie in Trance schlich sie zurück in ihr Zimmer und ließ sich auf ihr Bett fallen. Sie fühlte sich plötzlich so erschöpft wie nach einer endlosen Wanderung.

    Ihr Vater hatte sie belogen. Über seine Familie, seine und Liliths Herkunft und über ihre Mutter. Der einzige Mensch, den sie hatte, den sie über alles liebte, der Mensch, der für sie immer der Fels in der Brandung war, hatte sie seit Jahren getäuscht. Es war nicht der Schmerz, der ihn gehindert hatte, Lilith etwas über ihre Mutter zu erzählen, so wie sie zu seinen Gunsten immer angenommen hatte. Er wollte damit nur dieses ominöse Geheimnis vor ihr verbergen, ein Geheimnis, zu dessen Schutz er sogar bereit war, seine Tochter in Gefahr zu bringen. Jedenfalls hatte das Mildred behauptet. Was konnte nur so schlimm sein, dass er Lilith derart hinterging? Sie konnte sich nichts vorstellen. Es war ihr sogar gleichgültig, um was es sich handelte. All ihre detektivische Neugier war plötzlich verschwunden. Lilith wusste nur eines: Selbst die schlimmste Wahrheit wäre besser gewesen als dieses Lügengespinst, das ihr Vater um sie gesponnen hatte. Er brachte sogar die anderen Menschen in Liliths Umgebung dazu, seine Tochter zu hintergehen. Tante Mildred, Arthur und die anderen Heimbewohner belogen Lilith genauso, wie es ihr Vater tat. War ihm seine Tochter nicht einmal so wichtig, dass sie die Wahrheit verdiente?
    Lilith lief eine Träne über die Wange. Ärgerlich wischte sie sie weg.
    Kraftlos ließ sie sich auf ihr Kopfkissen sinken. Die Einsamkeit wickelte sich um sie wie eine kalte Decke.
    Lilith wusste nicht, wie lange sie dagelegen und ins Leere gestarrt hatte. Es kam ihr vor, als ob eine Ewigkeit vergangen war. Als ob ein Teil ihres Lebens unabänderlich vorüber und sie nun eine andere war.

    Als sie aufschrak, weil jemand an ihre Zimmertür klopfte, war sie überrascht, dass es immer noch Nachmittag und draußen hell war.
    »Störe ich dich?«
    Mildred trat mit zögernden Schritten ein. Sie hatte rot geränderte Augen. Lilith ahnte, dass ihre eigenen Augen kaum besser aussahen. Auch Mildred schien dies zu bemerken. Der harte Zug um ihren Mund, den sie seit gestern Abend in ihrer Gegenwart aufgesetzt hatte, verflüchtete sich. Mitfühlend sah sie ihre Nichte an.
    »Du hast wohl Heimweh?«
    Lilith blickte zu Boden und nickte stumm. Unsicher trat Mildred auf sie zu.
    »Es tut mir leid, dass ich so streng zu dir war. Es war immerhin dein erster Tag in Bonesdale, und dass du bei dem Trubel des Halloweenspektakels die Zeit vergessen hast, ist ja verständlich. Ich hätte deswegen nicht gleich so wütend werden sollen, bitte entschuldige.«
    Lilith wusste, dass sie sich nun ebenfalls bei ihrer Tante für ihr Zuspätkommen hätte entschuldigen müssen. Doch sie brachte kein Wort über die Lippen.
    »Hör zu, wir beide hatten vielleicht keinen ganz so guten Start.« Mildred lächelte Lilith zum ersten Mal seit ihrer Ankunft warmherzig an. »Was hältst du davon, wenn wir noch einmal von vorne anfangen?«

    Unter anderen Umständen hätte sich Lilith über dieses Angebot gefreut. Doch nun fragte sie sich bitter, was dies für ein Neuanfang sein sollte? Einer, bei dem sie weiterhin auf Schritt und Tritt überwacht und belogen wurde? Vielleicht war dies nur eine neue Taktik, damit Mildred leichter den »Babysitter« für sie spielen konnte.
    Lilith warf ihrer Tante einen kalten Blick zu und zuckte lustlos mit den Schultern.
    »Du hast doch bald Geburtstag«, versuchte es Mildred weiter und legte vorsichtig ihre Hand auf Liliths Arm. »Was hältst du davon, wenn wir eine kleine Feier für dich ausrichten? Du könntest ein paar Mitschüler aus deiner neuen Klasse einladen. An deinem Geburtstag ist zwar Halloween, und wie du dir vorstellen kannst, feiert Bonesdale an diesem Abend ein besonders großes Fest, aber ich, Arthur und die anderen finden sicher die Zeit, eine schöne Feier für dich vorzubereiten.«
    Lilith kämpfte mit sich. Sie wusste, wie nett dieses Angebot von Mildred gemeint war. Aber Lilith war so unglaublich wütend. Natürlich war ihr Vater schuld an allem, doch Mildred

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