Lilith Parker: Insel Der Schatten
und rundlichen Hüften – war verschwunden.
»Was schnüffelt ihr hier herum, hä?«, krächzte die Greisin.
Sie trat näher an Lilith heran, die intuitiv zurückwich. Trotzdem konnte sie dem Geruch von Alter, Urin und Fäulnis nicht entkommen. Als die Frau Liliths Abscheu bemerkte, verzog sie ihren Mund zu einem teuflischen Lachen und entblößte die braunschwarzen Überreste ihrer fauligen Zähne.
»Das hier ist mein Haus und ich habe es überhaupt nicht gerne, wenn sich hier irgendwelche Naseweise herumtreiben, verstanden?«, zischte sie und fuchtelte mit ihrem gelben Zeigefinger vor Lilith herum wie mit einem Messer. »Verschwindet hier, aber dalli!«
Das musste sie Matt und Lilith nicht zweimal sagen. Die beiden wechselten einen kurzen Blick, schnappten sich ihre Räder und sausten davon.
Lilith wusste nicht, wie sie es geschafft hatten, doch ehe sie sich versah, fanden sie sich auf der Devilstreet wieder.
Erstaunt sah Lilith über ihre Schulter zurück in die düstere Seitengasse. »Seltsam, wie schnell wir diesem Labyrinth entkommen sind!«
»Wahrscheinlich haben wir zufällig den richtigen Weg genommen.« Matt schüttelte ungläubig den Kopf. »Wow, diese schrullige Alte hat uns aber einen ganz schönen Schrecken eingejagt! Wer hätte gedacht, dass in dieser Bruchbude noch jemand lebt?«
»Ja, das war ein Schock«, stimmte Lilith ihm nachdenklich zu. Der Schreck steckte ihr immer noch in den Gliedern. »Hast du zufällig noch eine jüngere Frau gesehen? Vielleicht hinten im Laden?«
»Nein, außer der Alten war dort niemand«, gab Matt voller Überzeugung zurück. »Unglaublich, wie viel Kraft die in ihrem Alter noch hatte!« Er ließ den Lenker los und fasste sich an seine verletzte Schulter. Sein Regencape wies ein beachtliches Loch auf. »Meine Mutter wird mir diese Geschichte garantiert nicht glauben.«
»Das befürchte ich auch«, musste Lilith zugeben.
Sicherlich würde auch Mildred nicht gerade glücklich darüber sein, dass ihre Nichte ohne diesen dringend benötigten Saft nach Hause kam.
Als Lilith in die Küche trat, dämmerte es gerade und einige der Heimbewohner hatten sich am Tisch versammelt und tranken gemeinsam Tee. Ihr fröhliches Getuschel und Gelächter verstummte in dem Moment, als sie die Tür öffnete. Lilith hatte das Gefühl, dass sie alle voller Erwartung ansahen.
»Bin ich schon wieder zu spät?«, fragte sie atemlos und wischte sich einen Schweißtropfen von der Stirn. Lilith hätte es vor Mildred zwar niemals zugegeben, aber sie hatte den Heimweg in Rekordzeit zurückgelegt. Zwar war sie immer noch nicht geneigt, sich mit ihrer Tante zu versöhnen, doch sie wollte Mildred auch nicht aufs Neue provozieren.
Arthur lächelte ihr beruhigend zu. »Nein, mach dir keine Sorgen! Alles in Ordnung.« Er klopfte auf den Stuhl neben sich. »Setz dich und trink eine Tasse Tee mit uns!«
Gerade wollte Lilith auf den Tisch zugehen, als sie hinter Isadora das Skelett sitzen sah, das sie im Obergeschoss entdeckt hatte. Arthur folgte ihrem Blick.
»Dürfen wir dir unsern ältesten Heiminsassen vorstellen?« Arthur erhob sich und deutete mit einer ausladenden Geste auf das Skelett. »Das hier ist Sir Elliot!«
Er hob die Knochenhand des Skeletts und winkte Lilith damit zu.
»Sehr erfreut«, sagte Lilith, bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie das Skelett keineswegs zum ersten Mal sah.
»Ganz schön makaber, dass wir hier zusammen mit einem Knochenmann wohnen müssen«, beschwerte sich Arthur. »Aber deine Tante wollte Sir Elliot einfach nicht gehen lassen, nachdem er das Zeitliche gesegnet hatte.«
»Ach, Arthur!«, seufzte Mildred auf und rollte genervt die Augen.
Isadora trank mit abgespreiztem Finger einen Schluck Tee. »Sir Elliot ist unser Maskottchen«, informierte sie Lilith.
»Wie passend für Bonesdale!« Sie versuchte ein argloses Lächeln aufzusetzen. »An einem anderen Ort fänden es sicherlich die wenigsten Senioren angenehm, mit einem verkleideten Knochenmann am Tisch zu sitzen.«
Das Skelett drehte den Kopf zu Lilith. Obwohl sie darauf hätte gefasst sein müssen, entfuhr ihr ein erstaunter Ausruf.
»Regius hat daran herumgebastelt«, erklärte ihr Mildred eilig. »Er ist ein wirklich begnadeter Erfinder.«
Wie zur Bestätigung ertönte ein lauter Knall zu ihren Füßen, dem ein Rumoren und Fluchen folgte.
»Oder anders ausgedrückt – ein Stümper, den ab und zu das Glück des Dummen heimsucht!«, brummte Arthur.
Mildred warf ihm einen
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