Lilith Parker: Insel Der Schatten
jedoch nicht erwartet, dass sie so schnell wieder im Haus der Parkers sein würde. Ihr kam ein schrecklicher Gedanke.
»Ist was mit meinem Dad?«
»Soviel ich weiß, ist er mittlerweile in Burma«, beruhigte Clara sie sofort. »Mach dir um ihn mal keine Sorgen! Lilith, Liebes, wie geht es dir?«
Lilith musste einen Moment lang mit den Tränen kämpfen. Sie hatte nicht geahnt, wie gut es ihr tun würde, eine vertraute Stimme zu hören.
»Danke, ganz gut«, beeilte sie sich Clara zu versichern.
Doch ihr konnte sie nichts vormachen. »So klingst du aber nicht, mein Herzchen. Ist es denn so schlimm?«
»Nein, es … es geht schon.«
Lilith versuchte, sich zusammenzureißen. »Es dauert wahrscheinlich noch etwas, bis ich mich hier eingelebt habe. Aber was ist mit dir?«, wechselte sie das Thema. »Warum bist du bei uns zu Hause?«
»Leider habe ich keine guten Neuigkeiten.« Clara machte eine gequälte Pause, ehe sie fortfuhr. »Jemand ist in euer Haus eingebrochen. Wahrscheinlich kurz nachdem dein Vater abgereist ist. Die Nachbarn haben mich informiert, weil die Haustüre aufgebrochen war und offen stand.«
»Wie bitte?« Lilith konnte es kaum glauben. Für ihren Vater würde eine Welt zusammenbrechen. All seine wertvollen Schätze und Antiquitäten! Ein Einbruch war immer seine größte Angst gewesen, deswegen hatte er das Haus mit Gittern, Bewegungsmeldern und einer hochmodernen Alarmanlage gesichert.
»Die Polizei steht vor einem Rätsel«, erzählte Clara weiter. »Zwar sind viele der Vitrinen zerstört worden und der Tresor wurde aufgebrochen, doch laut der Liste, die dein Vater der Versicherung übergeben hat, sind alle Stücke vollzählig. Anscheinend wurde nichts gestohlen.«
Lilith stieß einen erleichterten Seufzer aus.
»Allerdings«, räumte Clara ein, »hat die Polizei eine leere Schatulle gefunden. In ihr muss sich eine Art Halskette oder ein Anhänger befunden haben. Auf der Inventarliste deines Vaters ist sie nicht verzeichnet und deswegen vermutet die Polizei, dass es vielleicht ein neues Stück in seiner Sammlung gewesen sein könnte, das er noch nicht angegeben hat und das nun gestohlen worden ist.«
Lilith ließ sich auf den Stuhl hinter Mildreds Schreibtisch sinken. Alle Kraft schien sie plötzlich verlassen zu haben. Sie schloss die Augen, als Clara die Frage stellte, die sie schon erwartet hatte.
»Weißt du vielleicht etwas über das Stück, das in dieser Schatulle war?«
Lilith musste sich räuspern, ehe sie eine Antwort geben konnte.
»Ich habe die Halskette, die in dieser Schatulle war«, sagte sie mit heiserer Stimme. »Sie wurde nicht gestohlen.«
»Na, dann ist ja alles in Ordnung!« Clara atmete erleichtert auf. »Dein Vater wird froh sein, wenn er das hört. Ich habe ihn bisher leider noch nicht in seinem Hotel in Burma erreicht, aber nun kann ich ihm ruhigen Gewissens eine Nachricht hinterlassen.«
»Clara«, setzte Lilith schweren Herzens an. »Vater weiß nicht, dass ich die Kette habe.« Sie schluckte. Ihr Gesicht prickelte vor Scham. »Ich habe sie mir einfach genommen.«
»Du hast was?«, rief Clara ungläubig. Sie hatte lange genug im Haushalt der Parkers gearbeitet, um zu wissen, wie sehr Joseph Parker dieses Verhalten missbilligen würde.
»Es gehörte meiner Mutter«, versuchte Lilith zu erklären. »Dad wollte es mir nicht geben und ich habe außer diesem Amulett überhaupt nichts von ihr, noch nicht einmal ein Foto, und …« Sie stockte atemlos. Wie konnte sie nur deutlich machen, was sie zu diesem Diebstahl getrieben hatte? Wenn nicht einmal Clara ihr Handeln nachvollziehen konnte, wie würde dann erst ihr Vater reagieren, wenn er davon erfuhr?
Eine lange Pause breitete sich zwischen ihnen aus.
»Du vermisst deine Mutter sehr, ich weiß«, sagte Clara schließlich mit warmer Stimme. »Nun, vielleicht sollten wir deinem Vater erst einmal nichts von dem fehlenden Amulett erzählen. Immerhin hat er nach seiner Ankunft in Burma genug um die Ohren.«
Lilith runzelte die Stirn. »Du willst ihm nicht sagen, dass ich das Amulett habe?«
»Ich werde ihm die Wahrheit sagen. Nämlich, dass die Diebe nichts gestohlen haben und noch all seine Schätze im Besitz der Parkers sind.«
Lilith hatte vor Erleichterung Tränen in den Augen. »Papperlapapp«, fiel Clara ihr ins Wort, als Lilith sich bei ihr bedanken wollte. »Das mache ich doch gern für dich. Außerdem bin ich mir sicher, dass du die Kette wie deinen Augapfel hütest.«
Damit hatte Clara natürlich
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