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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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fest und kickte eine der Glasscherben in die Ecke. Das Klirren wirkte in der Stille der Gasse unnatürlich laut.
    Lilith sah sich mit angespannter Miene um. Ihr gefiel es hier überhaupt nicht. Auch wenn sie niemanden sehen konnte, so wurde sie doch das Gefühl nicht los, dass sie jemand beobachtete.
    »Lass uns lieber gehen«, schlug sie vor. »Ich glaube, den Laden finden wir sowieso nicht mehr.«

    Matt zuckte mit den Schultern. »Wenn du meinst. Wir könnten aber noch in der nächsten Gasse nachsehen.«
    »Das hat doch keinen Sinn. Wir haben hier fast jeden Winkel abge…« Lilith hielt abrupt inne. Sie glaubte einen Schatten hinter einem der Fenster gesehen zu haben.
    Matt folgte ihrem Blick. »Ist was?«
    Lilith zögerte einen Moment. Es war nichts mehr zu sehen. Wahrscheinlich hatte sie sich getäuscht. »Nein, es ist nichts.«
    Mit einem neugierigen Blitzen in den Augen ging Matt auf ein zerbrochenes Schaufenster zu und steckte seinen Kopf hindurch.
    »Wir wollten doch gehen!« Lilith trat nervös von einem Fuß auf den anderen. In dieser Gasse stimmte etwas nicht, das spürte sie. Matt schien davon allerdings nichts zu bemerken.
    »Was hoffst du denn da drin zu finden?«, fuhr sie ihn ungeduldig an. »Einen Schatz?«
    »Wer weiß?« Er zog seinen Kopf zurück und grinste Lilith an. Spinnweben hatten sich in seinen Haaren verfangen. »In verlassenen Häusern kann man manchmal coole Sachen finden.«
    Ehe Lilith etwas erwidern konnte, ließ eine schemenhafte Bewegung sie alarmiert aufsehen.
    Für den Bruchteil eines Atemzugs erschien eine weiße Fratze hinter einem der verdreckten Fenster und funkelte sie böse an.
    »Da drin ist jemand«, keuchte sie. »Lass uns von hier verschwinden!«

    Matt seufzte ergeben auf. Er schien Lilith kein Wort zu glauben.
    »Na schön«, murrte er, wandte sich um und griff nach seinem angelehnten Fahrrad.
    In diesem Moment streckte sich hinter ihm eine dünne, spinnenartige Hand aus der zerbrochenen Schaufensterscheibe.
    Lilith wollte schreien, Matt warnen, aber ihre Stimme versagte. Ihr Mund öffnete sich, doch sie konnte keinen Ton hervorbringen. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah sie, wie sich die Hand immer weiter aus dem Dunkel hervorschob. Deutlich konnte sie die mit wulstigen Adern durchzogene Haut und die langen gelben Fingernägel erkennen.
    »Da!«, krächzte sie endlich.
    Matt sah erstaunt auf. Zu spät.
    Die klauenartigen Finger bohrten sich in seine Schulter.
    Matt gab einen erstickten Laut von sich. Lilith konnte nicht sagen, ob vor Schmerz oder vor Angst. Erst als Matt zur rechten Seite hin absackte und er vergeblich versuchte, sich aus dem Griff herauszuwinden, wurde ihr klar, wie tief sich die Finger in seiner Schulter festgekrallt haben mussten. Lilith sprang nach vorne und packte seine Hand. So fest sie konnte, zog sie ihn mit sich. Einen Moment lang geschah überhaupt nichts, dann hörte sie gleichzeitig einen Schmerzensschrei und das Reißen von Stoff. Matt stolperte nach vorne. Er fiel unsanft auf das Kopfsteinpflaster, während Lilith auf ihrem Hinterteil landete.

    Sie rappelte sich auf. Zu ihrer Erleichterung sah sie, dass die körperlose Hand aus dem Loch des Schaufensters verschwunden war. Das positive Gefühl verschwand jedoch sofort wieder, als sie bemerkte, dass Matt immer noch am Boden lag.
    »Matt, was ist los?« Sie eilte zu ihm.
    Er sah auf. Seine Pupillen waren vor Entsetzen geweitet.
    »Es ist alles wieder in Ordnung. Was immer das gerade war, es ist weg«, versuchte sie ihn zu beruhigen und half ihm auf die Beine. Mit schmerzverzerrtem Gesicht fasste sich Matt an die Schulter.
    »Tut es sehr weh?«
    »Ach was, geht schon«, wiegelte Matt ab, doch Lilith merkte, wie er gequält die Zähne zusammenbiss.
    Das Ächzen einer Tür ließ die beiden herumfahren. Eine uralte Frau mit wirrem Gesichtsausdruck tauchte aus der Dunkelheit des verfallenen Ladens auf. Ihre Haare waren wie nach einer langen Krankheit halb ausgefallen und standen in einzelnen langen Strähnen vom Kopf ab. Die leichenblassen spinnenartigen Hände pressten einen grauen Wollumhang fest um ihren ausgezehrten Körper. Sie musste es gewesen sein, die Matt aus dem Schaufenster heraus gepackt hatte.
    Lilith blinzelte irritiert. Für einen Moment hatte sie geglaubt, zwei Frauen zu sehen, die auf derselben Stelle standen. Wie zwei Negative, die man übereinandergelegt hatte. Lilith fuhr sich über die Augen. Doch das Bild einer Frau mittleren Alters – gesund, mit hellbraunen Haaren

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