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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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wischte sich Lilith über die feuchten Wangen.
    »Wenigstens ist sie nicht allein gestorben und mein Vater konnte sie ein letztes Mal in den Arm nehmen«, durchbrach sie schließlich die Stille, nur um irgendetwas zu sagen.
    »Dein Vater war nicht bei ihr«, entfuhr es Mildred mit unverhohlener Bitterkeit. »Er lebte zu der Zeit schon in London. Ich habe dich am nächsten Tag zu ihm gebracht.«
    Irritiert sah Lilith zu ihrer Tante. Ihr Vater hatte seine schwangere Frau in Bonesdale zurückgelassen? Sie fragte sich, was zwischen ihren Eltern vorgefallen war. War das etwa auch der Grund, warum Mildred mit ihrem Bruder zerstritten war?
    Als Lilith jedoch den Mund öffnen wollte, hob Mildred die Hand. »Schluss für heute!«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Es ist Zeit für dich, zu Bett zu gehen! Arthur und die anderen werden sicherlich auch jeden Augenblick zurückkommen.«
    »Aber …«
    »Schluss, habe ich gesagt!«

    Widerwillig nickte Lilith. Wahrscheinlich hatte ihre Tante recht. Es war ein langer Tag gewesen und sie hatte fürs Erste wahrlich genug erlebt und erfahren. Auch spürte sie, wie der schmerzstillende Saft, den ihr Emmas Mutter eingeflößt hatte, so langsam seine Wirkung verlor und eine bleierne Müdigkeit in ihre Glieder kroch.
    Ihre Tante stand schon am Fuß der Treppe. »Ich bringe dich in dein Zimmer und dann wird geschlafen! Immerhin musst du morgen zur Schule.«
    Lilith zog eine enttäuschte Schnute. In Anbetracht der Uhrzeit hatte sie eigentlich gehofft, dass ihre Tante ihr erlauben würde, am nächsten Tag nicht zur Schule gehen zu müssen.
    »Zieh nicht so ein Gesicht, Lilith!«, rügte Mildred sie lächelnd, während sie die Stufen hochging. »Wer wie Miss Marple fremde Zimmer durchsuchen und vor Werwölfen und einer angriffslustigen Krähe flüchten kann, kann auch zur Schule gehen.«
    »Einen Moment«, hielt Lilith sie zurück. »Ich muss dir noch etwas erzählen.« Etwas, das sie Mildred schon viel früher hätte anvertrauen sollen. »Emmas Vater meinte, wir könnten uns wegen der Malecorax getäuscht haben, aber das stimmt nicht.« Lilith holte tief Luft, bevor sie weitersprach. »Kurz nachdem ich auf Bonesdale angekommen bin, hat mich schon einmal eine Krähe verfolgt und vor der Villa angegriffen.«
    Mildred blieb wie angewurzelt auf der Treppe stehen. Das Lächeln war so schnell aus ihrem Gesicht verschwunden, als hätte man es ausgeknipst.
    »Willst du damit etwa sagen, dass dich heute schon zum zweiten Mal eine Krähe angegriffen hat?«, fragte sie ungläubig. »Das ist doch Unsinn!«

    »Die Krähe, die mich vor der Villa angegriffen hat, war keine gewöhnliche Krähe. Sie war … böse. Es war eine Malecorax!«
    Mildred wurde blass. »Hör zu Lilith, du weißt so gut wie nichts über unsere Welt und du wirfst hier mit Begriffen um dich, von denen du keinen blassen Schimmer hast, was sie wirklich bedeuten. Du kannst unmöglich von einer Malecorax angegriffen worden sein!«
    »Aber du hast mir doch selbst von dieser Geschichte erzählt, als dieses Mädchen im Schattenwald von Krähen angegriffen worden ist.«
    »Das, was ich dir erzählt habe, war nur eine Geschichte und die Krähen des Schattenwaldes sind weg, schon seit Jahren«, beharrte Mildred. »Seit der Nacht, in der deine Mutter starb, ist das Portal geschlossen und nie wieder hat es eine Malecorax geschafft, in unsere Welt einzudringen – und so soll es auch bleiben!«
    Lilith sah, wie ein ängstlicher Schrecken in Mildreds Augen aufblitzte, und biss sich auf die Lippen. Vielleicht brauchte ihre Tante einfach etwas Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. Sie beschloss, das Thema fürs Erste ruhen zu lassen.
    Mildred wollte sich gerade abwenden, als ein zaghaftes Kratzen an der Tür sie erneut innehalten ließ. Mildred und Lilith wechselten einen kurzen Blick.
    Ein schwaches Winseln drang durch die Tür.

    Lilith stolperte so eilig durch die Küche, dass sie fast einen Stuhl umstieß, und zog mit einem Ruck die Tür auf. Im ersten Moment wollte sie erfreut aufschreien, als sie Hannibal vor sich auf der Schwelle erblickte – doch dann sah sie das viele Blut und die klaffende Wunde an seinem Rücken. Anscheinend hatte sich Hannibal mit letzter Kraft alleine nach Hause geschleppt. Sie ging vor ihm in die Knie und konnte so verhindern, dass Hannibals Kopf unsanft auf dem Boden aufprallte, als er ohnmächtig zusammensank.
    Lilith stand mit Emma in einer Ecke im Schulhof. Sie suchten Schutz

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