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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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passiert«, beruhigte Arthur sie. »Es ist ja nicht so, dass mir viel passieren könnte, wenn ich von der Leiter falle.«
    »Oh, stimmt«, erinnerte sich Lilith. Daran hatte sie nicht gedacht. Als Zombie konnte ihm ein Sturz wahrscheinlich nicht viel anhaben.
    »Wie bist du eigentlich …« Lilith zögerte, da sie nicht wusste, ob ihre Frage zu indiskret sein würde.
    »Wie ich zu einem Zombie geworden bin?«, half Arthur ihr. Er lächelte sie verständnisvoll an. »Ich habe mich freiwillig dafür entschieden.«

    Er kam die Leiter herunter und begann bereitwillig zu erzählen: »Ich war seit meiner Geburt lungenkrank. Ich konnte nicht mit anderen Kindern spielen, mit ihnen lachen und gemeinsam um die Wette rennen. Da ich anfällig für Keime und Bakterien war und eine Erkältung meinen Tod bedeutet hätte, lebte ich von allen isoliert in meinem Zimmer, die meiste Zeit jedoch war ich im Krankenhaus. Oft fühlte ich mich wie tot, obwohl ich noch lebte. Auf diese Weise wurde ich ein alter Mann. Als meine Zeit gekommen war, fühlte ich in meinem Herzen eine große Bitterkeit. Ein Leben voller Krankheit und Schmerz lag hinter mir, ich hatte nie erlebt, was Freiheit und Glück bedeutet, ich durfte nie erfahren, was Liebe ist. Da stellte sich heraus, dass meine Ärztin in Wahrheit eine Hexe war, die inkognito unter den Menschen lebte. Sie hatte Mitleid mit mir und erzählte mir wenige Augenblicke vor meinem Tod von einer Möglichkeit, ein zweites Leben anzufangen. Von einem Leben hier in Bonesdale.«
    Lilith hatte Arthurs Erzählung aufmerksam gelauscht. Es stimmte sie traurig, dass dieser gutherzige und stets vergnügte alte Mann ein so schweres Leben hinter sich hatte. Sie konnte nachvollziehen, dass er sich für ein Dasein als Untoter entschieden hatte, auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, diese Möglichkeit für sich selbst zu wählen. Es kam ihr falsch vor. Sie war mit dem Wissen aufgewachsen, dass man nur ein einziges Leben hatte, nur eine Chance, die man so gut wie möglich nutzen musste. Beraubte es das Leben nicht seines Sinns und seiner Wichtigkeit, wenn man die eigene Lebenszeit nach Gutdünken verlängern konnte? Lilith wusste es nicht. Sie musste auch zugeben, dass Arthur in seinem menschlichen Leben nie wirklich eine Chance gehabt hatte, die er hätte nutzen können.

    Lilith atmete schwer aus. Vielleicht wären ihre momentanen Gefühle nicht gar so widersprüchlich, wenn sie hier in Bonesdale aufgewachsen wäre. Dann wäre die Welt der Untoten und deren Regeln für sie wahrscheinlich etwas Selbstverständliches gewesen.
    »Ich weiß nicht, ob es die richtige Entscheidung war«, räumte Arthur nachdenklich ein, als ob er Liliths Gedanken erraten hätte. Er lächelte ihr zu. »Aber ich weiß, dass es mich glücklich macht, an einem sonnigen Tag wie heute in Gesellschaft einer so bezaubernden jungen Lady an meinen geliebten Rosen arbeiten zu dürfen.« Er verbeugte sich galant. »Hätten Sie die Güte, einem alten, verschrobenen Kauz weiterhin die Leiter festzuhalten, damit er sich unbesorgt seiner Arbeit widmen kann, Mylady?«
    Lilith lachte auf und deutete einen Knicks an. »Mit dem größten Vergnügen, Sir.«
    Gemeinsam arbeiteten sie sich rund um den Pavillon und legten ihn Stück für Stück frei. Ohne die Rosenranken wirkte er fast nackt und entblößt. Lilith konnte sich nur schwer vorstellen, wie prächtig er im nächsten Sommer mit den blühenden Rosen aussehen würde.
    Während des letzten Stücks, als sie mit dem Rücken zum Haus standen, verspürte Lilith plötzlich ein intensives Kribbeln im Nacken. Sie hatte das Gefühl, dass sie jemand beobachtete. Ohne die Leiter loszulassen, sah sie sich aufmerksam um. Sie konnte weder einen Menschen noch eine Krähe entdecken. Trotzdem wollte das Gefühl nicht nachlassen.
    Sie blickte zum Haus. Eines der Fenster, das zu Elia Nekrobas’ Zimmer gehörte, stand offen.
    »Ist dieser Nekrobas eigentlich noch da?«, fragte sie misstrauisch.

    Arthur hielt kurz inne und legte die Stirn in Falten. »Ich habe ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen. Seine Sachen sind aber noch auf seinem Zimmer und verabschiedet hat er sich auch nicht von uns.« Er hob die Schultern. »Vielleicht gefällt ihm unsere Insel so gut, dass er sie von morgens bis abends erkundet. Aber wenn es dich so interessiert, kannst du ja deine Tante nach ihm fragen.«
    Lilith verzog das Gesicht. In Gegenwart ihrer Tante vermied sie lieber das Thema Nekrobas.
    »So, fertig!«, verkündete

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