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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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zähen, glibberigen Schleim unbestimmter Farbe gefüllt waren.
    Hinter der Theke bediente eine Frau mit hellbraunen Haaren, rundlichen Hüften und einem freundlichen Lächeln ihre Kunden. Es war die Frau, die Lilith damals im ersten Moment zu sehen geglaubt hatte, bevor sie sich in die abschreckende, keifende Alte verwandelt hatte.
    »Entschuldige bitte«, sagte Madame Sabatier, als Lilith an der Reihe war. Sie strich sich erschöpft eine Locke aus dem Gesicht. »Wegen Halloween ist mächtig viel Betrieb. Jeder scheint für morgen noch etwas einkaufen zu wollen.«

    »Kein Problem«, sagte Lilith und erwiderte das freundliche Lächeln. »Ich habe mich solange umgesehen. Ich soll etwas für meine Tante besorgen, Mildred Parker.«
    »Na, das ist ja eine Überraschung! Ich wusste gar nicht, dass Mildred eine Nichte hat. Herzlich willkommen bei uns!« Madame Sabatier strahlte sie an, griff über die Theke und schüttelte Lilith herzlich die Hand. »Was kann ich für dich tun, meine Kleine?«
    »Haben Sie Alraunensaft?«
    »Aber natürlich. Dauert nur einen Moment.«
    Madame Sabatier lief zu dem Regal ganz links, was – wie Lilith vermutete – für die harmloseren Gifte reserviert war.
    »Ist Alraunensaft denn giftig?«, fragte Lilith, während Madame Sabatier aus einer Karaffe einen hellgrünen Saft in eine kleine Flasche umfüllte.
    Madame Sabatier nickte.
    »Schon der Verzehr geringer Mengen kann zu einer Atemlähmung führen. Alle Gifte hier sind potenziell tödlich, in der richtigen Dosierung können sie jedoch auch heilende Wirkung haben. Der Saft der Alraunenfrucht hilft zum Beispiel hervorragend gegen Sodbrennen und Magendrücken. Aber ich muss dich warnen: Im ersten Moment schmeckt der Saft herrlich nach Erdbeeren, danach breitet sich jedoch der bittere Geschmack unreifer Tomaten auf der Zunge aus, der stundenlang nicht mehr wegzubekommen ist. Aber du wirst sehen, das Magendrücken ist wie weggezaubert!«

    Lilith hatte schon einmal davon gelesen, dass Schlangengift bei Herzkrankheiten und Allergien eingesetzt wird. Aber Madame Sabatier war auf diesem Gebiet anscheinend eine wahre Meisterin.
    »Nur eine erfahrene Giftmischerin hat es im Gefühl, ab wann das Gift tödlich sein wird«, erklärte sie Lilith gerade.
    »Im Gefühl? Sie messen das Gift nicht ab?«
    »Natürlich nicht, das macht kein Giftmischer, der etwas auf sich hält. Schließlich ist jede Pflanze oder jedes Tier, von denen wir das Gift erhalten, anders aufgewachsen. Darauf müssen wir Giftmischer achten. Deswegen solltest du nur zu einem Giftmischer gehen, der schon seit einigen Jahren praktiziert, ansonsten wäre ich vorsichtig.«
    »Ich werde es mir merken«, bedankte sich Lilith für den Ratschlag. Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Ich habe allerdings kein Geld dabei, um den Saft zu bezahlen …«
    »Ist nicht schlimm.« Madame Sabatier winkte ab. »Ich setze es auf die Rechnung deiner Tante.« Sie reichte Lilith die Flasche. »Sag mal, haben wir uns nicht schon einmal gesehen? Dein Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor.«
    Lilith nickte. »Ich war schon einmal hier. Mit einem Freund.«
    Madame Sabatier dachte einen Moment lang nach, dann schnippte sie mit den Fingern. »Jetzt erinnere ich mich. Der Junge war ein Mensch.« Ihr rot geschminkter Mund verzog sich zu einem amüsierten Lächeln. »Wie hat dir meine Vorstellung als schrullige alte Frau gefallen?«
    »Beeindruckend. Gruselig«, gestand Lilith.

    »Das sollte es auch sein!«, meinte Madame Sabatier. »Wenn Menschen zu lange hier herumlungern, verscheuche ich sie lieber. Zwar haben die Magier diese Gasse mit einem Zauber belegt, aber es ist besser, wenn Menschen schleunigst das Weite suchen.«
    »Diese Gasse ist mit einem Zauber belegt?«, hakte Lilith nach.
    »Ein Mensch, der die Crepusculelane betritt, kann sie nicht in ihrer wahren Gestalt sehen. Selbst ein mächtiger Nocturi kann in Begleitung eines Menschen die magische Schranke in diesem Moment nicht durchbrechen«, erklärte Madame Sabatier.
    Lilith verabschiedete sich und verließ mit einem glücklichen Lächeln den Laden. Sie konnte kaum glauben, was sie gerade erlebt hatte. Ihr Vater hatte mit seiner Vermutung recht behalten: Lilith hatte die Crepusculelane betreten können – und somit besaß sie wenigstens eine der Grundfähigkeiten.
    Sie musste sofort nach Hause, um den anderen davon zu erzählen! Lilith radelte wie der Blitz, ließ ihr Fahrrad achtlos ins Gras fallen und stürmte zur Küchentür, die Flasche mit dem

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