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Lilith - Wunschlos gluecklich

Lilith - Wunschlos gluecklich

Titel: Lilith - Wunschlos gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tine Armbruster
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Camille daran herumhantierte, und so hatte sie ihr die Kanne postwendend entrissen und in eines ihrer Bücherregale geschmissen. Seitdem vegetierte dieses karaffenähnliche Ding fast wie ein Fremdkörper, der hier absolut nicht hergehörte, zwischen ihren heiß geliebten Büchern vor sich hin.
    Die meisten dieser Bücher hatte sie sich zusammen mit ihrer Großmutter auf diversen Flohmärkten gekauft. Nun musste sie das allein tun. Nie wieder würde sie mit ihr samstags die Märkte der Stadt abklappern können, nie mehr würde sie aus ihren Händen ein Buch erhalten, niemals wieder würden sie sich über die Inhalte unterhalten können …
    »Was soll ich damit tun, Granny? Wieso hast du mir von all den Dingen, die wir gemeinsam hatten, nicht das Geringste vermacht? Warum bekomme ich ausgerechnet dieses olle Teil?«
    Sie erhielt logischerweise keine Antwort auf ihre Fragen, und dabei hatte sie doch noch so viele, die ihr auf der Seele brannten. Annies Stimme fehlte ihr so sehr, aber in ihrem Zimmer blieb es still.
    Lilith entfuhr ein resignierter Seufzer, während sie die Decke zurückschlug und barfuß über den kalten Fußboden tappte. Es war frisch geworden und sie beeilte sich, um schnellstens wieder unter ihre warme Decke schlüpfen zu können. Auf Zehenspitzen angelte sie die Kanne aus dem obersten Regalfach und hüpfte damit zurück ins Bett. Das metallene Ding lag kalt und schwer auf ihrem Federdeckbett. Nur schemenhaft zeichneten sich die Konturen im Schein des Mondlichts auf dem Laken ab. Lilith beugte sich zur Seite und betätigte den Lichtschalter.
    Mein Gott, war das Teil hässlich …
    Ein weiterer Seufzer entfuhr ihren Lippen. Sie erinnerte sich an die dazugehörenden Worte aus dem Brief.
     
    Ich wünsch dir nur das Beste, meine kleine Lilith, und auch wenn du es jetzt nicht verstehst, diese orientalisch anmutende Kanne, die ich dir hinterlasse, war die beste Investition meines Lebens. Und darum vererbe ich sie dir. In der Hoffnung, dass auch du mit ihr dein Glück findest …
     
    Lilith saß mit der Kanne im Schoß da und ließ den Tränen, die selbst Wochen später noch nicht versiegt waren, freien Lauf. Ihr Blick wurde unscharf, verschleierte sich und sie hörte es unablässig von ihrem Kinn auf das harte, goldene Metall unter sich tropfen. Pling – pling – pling …
    Jetzt krieg dich mal wieder ein , ermahnte sie sich, wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht und schniefte in ein buntes Taschentuch, das sie danach im hohen Bogen in den Mülleimer neben ihrem Schreibtisch warf. Zumindest versuchte sie es, aber es landete, wie so viele andere zerknüllte Schnäuzfetzen der vergangenen Tage, nur irgendwie in der näheren Umgebung ihres Schreibtisches. Was soll’s. Sie war heute Nacht viel zu kaputt, um sich noch einmal aus dem Bett zu hieven.
    Ihr Blick wanderte erneut in ihren Schoß. Jetzt war die Kanne nicht nur hässlich und matt, sondern auch pitschnass und Lilith bekam irgendwie ein schlechtes Gewissen. Die Kanne war Großmutter wohl irgendwie wichtig gewesen. Sie hätte bestimmt nicht gewollt, dass Lilith sie so stiefmütterlich behandelte. Sie beschloss, einen schönen Platz für sie zu finden und sah sich im Zimmer um.
    Der Nachttisch erschien ihr am besten geeignet, aber so schmuddelig gab dieses Ding darauf kein gutes Bild ab. Es war merkwürdig, dass Großmutter etwas, das ihr anscheinend so immens am Herzen gelegen hatte, so dermaßen hatte verkommen lassen …
    Lilith ließ ihre Zunge im Mund kreisen und sammelte etwas Spucke in den Mundwinkeln. Eklig, aber sehr effizient. Nachdem sie zwei- oder dreimal darauf gespuckt hatte, rieb sie mit dem Ärmel großzügig über die Kanne.
    Nur Sekunden später begann es, darin zu brodeln. Rauch stieg auf und es zischte und pfiff, fast so, als ob man in einer alten Teekanne Wasser aufgesetzt hätte. Panisch wegen dieser … na ja, Selbstentzündung, warf Lilith die Kanne hochkant aus dem Bett. Mit einem tiefen Plong schlug das Teil scheppernd auf dem Holzfußboden am Fußende ihres Bettes auf. Immer mehr Rauch stieg auf und dann kam auch noch ein gespenstisch blaues Leuchten hinzu. Eigentlich viel zu untypisch für ein Feuer und auch der Rauchmelder war, trotz der Schwaden an der Decke, immer noch mucksmäuschenstill. Die von ihr zuerst vermutete Selbstentzündung schied also aus. Lilith hätte furchtbar gern nach ihren Eltern gerufen, und obwohl sie es versuchte, saß sie wie versteinert in ihrem Bett und bekam keinen

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