Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
Kreativität zu bemühen. Ihre Kreativität hat in diesem Spiel nichts verloren. Seien Sie einfach der Restaurator, der Sie sind.«
»Ich könnte Ihnen das gleiche vorschlagen, einfach der Croupier zu sein, der Sie sind.«
»Bin ich aber nicht. Ich stehe einzig und allein an diesem Spieltisch, um Sie und das Gemälde im Auge zu behalten. Und Sie davon abzuhalten, etwas anderes zu tun, als dieses Bild ordnungsgemäß zu restaurieren. Darin besteht mein Auftrag.«
»Was sind Sie? Detektiv? Killer? Oder ein bißchen gaga?«
»Sie würden mir nicht glauben.«
»O Gott, soll ich denken, Sie seien von höherer Stelle gesandt? Denkmalamt hoch zwei.«
»Glauben Sie an höhere Stellen?« fragte der Croupier.
»Nicht, wenn die Leute wie Sie schicken. Leute mit Bärtchen.«
»Das ist ein schlechtes Argument«, fand der Croupier. »Die Glaubwürdigkeit einer höheren Stelle nach den eigenen Antipathien zu bewerten.«
Nun, da hatte der Croupier sicherlich recht.
Das wußte der Restaurator, tat aber verächtlich und meinte: »Ich kann nicht glauben, daß Sie mich töten wollen, wenn ich nicht mache, was Sie sagen.«
Der Croupier schien ehrlich bekümmert, als er jetzt darlegte: »Ich habe das alles hier inszeniert, damit Sie mich ernst nehmen. Wenn Sie aber unbedingt wollen, schicke ich Sie noch ein paar Runden in den Boxring. Das würde mir wahrscheinlich ersparen, Ihnen das Gift zu spritzen.«
Es zeigte auf seine Sakkotasche. Damit meinte er wohl, daß sich darin eine Giftspritze befinde. Nicht, daß der Restaurator den herausstehenden Teil einer solchen erkennen konnte. Dennoch war ihm mulmig zumute. Er war immerhin gefesselt. Und warum sollte der Croupier ihn fesseln, wenn er nicht etwas von dem, was er sagte, auch im Sinn hatte? Hier war nicht Fasching. Sondern eben ein typisches Weihnachten, wo man froh sein mußte, überhaupt etwas zu bekommen. Und sei’s das eigene Leben.
Der Restaurator wählte den sicheren Weg. Er versprach – auch weil ihm das eigentlich wurscht war –, sich an die Regeln zu halten. Er versprach, auf eine künstlerisch-individuelle Lösung des restauratorischen Problems zu verzichten. Nichts Eigenes hinzuzufügen. Und sich also weiter mit der Verschmutzung des Bildes herumärgern zu wollen.
»Sie könnten zur Polizei gehen«, gab der Croupier zu bedenken.
»Was soll ich denen sagen? Daß mich eine Frau k.o. geschlagen hat, damit ich mich weiter an die Spielregeln einer höheren Stelle halte?«
»Man würde Sie für verrückt erklären.«
»Genau das würde man. Also werde ich den Mund halten und meine Arbeit tun. Wenn ich Ihnen soviel Freude damit machen kann, was soll’s.«
»Ja, Sie machen mir eine Freude«, erklärte der Croupier, nahm eine Schere und durchschnitt das Band.
Der Restaurator dachte sich: »So, jetzt bin ich eröffnet.«
13
Mittagspause
»Frau Stransky, darf ich Sie einen Moment sprechen?«
»Oh, Herr Kommissar. Sie haben mich erschreckt. Gibt es etwas Neues?«
»Genau das wollte ich Sie fragen.«
»Ich bin aber nicht die Polizei«, erinnerte Viola Stransky, die eben aus ihrem Haus gekommen war.
»Natürlich sind Sie nicht die Polizei«, sagte der Mann, der Kommissar Hübner war und den alle Baby Hübner nannten und der es gründlich satt hatte, sich verarschen zu lassen. Aber leider gehörte das dazu. Er zwang sich also zur Ruhe, verzog den Mund zu einem gequälten Schmunzeln und meinte: »Ich dachte mir nur, Ihr Mann hätte sich möglicherweise bei Ihnen gemeldet. Wenn sich schon die Entführer nicht melden.«
»Hören Sie mein Telefon denn nicht ab?«
»Es gibt auch andere Wege, einen Kontakt herzustellen.«
»Wieso denken Sie, ich würde Ihnen verschweigen, von meinem Mann gehört zu haben?«
»Vielleicht, weil er es so möchte.«
»Würde er es so mögen, dann würde ich mich auch daran halten. Aber ich kann Ihnen versichern, daß nichts dergleichen der Fall ist. Kein Lebenszeichen, keine Nachricht, gar nichts.«
»Und was tun Sie jetzt?«
»Wie meinen Sie das, Kommissar?«
»Gehen Sie zur Arbeit?«
»Natürlich gehe ich zur Arbeit. Ich vermisse meinen Mann, aber deshalb kann ich mein Büro nicht zusperren. Ich habe Entscheidungen zu treffen, die nicht warten können, bis Georg wieder auftaucht. Ich tauge nicht zur leidenden Ehefrau, auch wenn sich Ehemänner das gerne vorstellen. Ehemänner wie … Ich weiß nicht, Herr Kommissar, was für ein Ehemann Sie sind. Georg jedenfalls hielte es sicher für unsinnig, würde ich zu Hause bleiben,
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