Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
schwarze Socken stricken und mir häßliche, rote Augen anweinen.«
»Das verlangt auch niemand«, versicherte Baby Hübner. Er hätte diese hochnäsige Kuh gerne durch den Fleischwolf einer konsequenten Zeugenbefragung drehen wollen. Statt dessen erkundigte er sich höflich, worin genau Viola Stranskys berufliche Tätigkeit bestehe.
»Ich erfinde Geschichten«, sagte Viola Stransky.
»Wie habe ich das zu verstehen?«
»Ich rede von Drehbüchern.«
»Ach, Sie schreiben Drehbücher?«
»Also, in erster Linie verkaufe ich sie. Entweder die Idee oder das Drehbuch oder den Mann oder die Frau, die ein Drehbuch schreiben. Manchmal eine gesamte Fernsehserie, manchmal nur den bloßen Titel.«
»Man kann einen Titel verkaufen?«
»Wenn er gut ist, ist das mehr wert als der ganze Rest.«
»Da habe ich es schwerer«, sagte Hübner, »bei mir genügt nicht allein der Name einer Person, die ich suche, ich brauche auch die Person dazu. Wie bei Ihrem Mann.«
»Ich habe nicht behauptet, daß Sie einen einfachen Beruf haben, Herr Kommissar. Ich habe nur Ihre Frage beantwortet.«
»Verdient man gut mit diesen Drehbüchern?«
»Ich verdiene mehr als mein Mann, wenn es das ist, was Sie interessiert.«
»Nun, das ist nicht unbedingt …«
Frau Stransky unterbrach ihn: »Wo ist eigentlich die Polizistin, mit der ich zu Anfang sprach?«
»Frau Steinbeck ist im Ausland.«
»Ich dachte, sie würde sich um den Fall kümmern.«
»Sie kümmert sich um den Fall.«
»Sie kam mir ausgesprochen kompetent vor«, sagte Viola Stransky, wie man sagt: Aber die anderen Eier kamen mir verdorben vor.
Es reichte dem Kommissar. Er meinte: »Ich will Sie dann nicht länger aufhalten, Frau Stransky.«
»Danke. Sobald Sie etwas wissen …« Viola Stransky sprach nicht weiter, nickte flüchtig und begab sich hinunter auf die Straße zu ihrem Wagen.
Baby Hübner überlegte, daß diese Frau ziemlich schick gekleidet war. Nun, das war natürlich nicht weiter verwunderlich, wenn jemand erfolgreich Drehbücher verkaufte. Auch war ja noch kein Todesfall zu beklagen. Frau Stransky brauchte keine Witwe zu geben. Außerdem war sie ganz der Typ, dem dieser damenhaft noble, ein klein wenig ausgeflippte Stil stand, der kurze, karierte Chanelrock zum dünnen, schwarzen Pulli von Valentino, mit einer ziemlich massiven Halskette aus irgendwelchen Überresten von Meerestieren. Dazu Seidenstrümpfe in Pastellgrün und schwarze Schlüpfer mit etwas erhöhten Absätzen. Ob das wirklich die Überreste von Meerestieren waren? Baby Hübner wußte das so wenig, wie er zwischen Chanel und Valentino zu unterscheiden verstand. Diesbezüglich gehörte er zu den Leuten, die alles nur vom Hörensagen kannten. Aber von Pastellgrün hatte er eine Ahnung. Seine Frau liebte diese Farbe. Küche, Bad und Schlafzimmer waren damit gestaltet. Bei Strümpfen freilich war ihm die Farbe neu. Er fragte sich, was es bedeutete, Strümpfe in Pastellgrün zu tragen. Denn wenigstens darin war er mit Lilli Steinbeck einer Meinung, daß alles etwas zu bedeuten hatte. Man mußte es nur zu lesen wissen.
Frau Stransky war ihm verdächtig. Vielleicht der Strümpfe wegen. Aber das konnte er natürlich nicht äußern, nicht gegenüber dem Staatsanwalt. Niemandem gegenüber. Strümpfe waren einfach ein schwaches Argument, so pastellgrün sie sein mochten. Traurig sah er Frau Stransky hinterher, wie sie davonfuhr.
»Das ist ganz schön riskant, finde ich«, sagte Viola, nachdem sie die Halskette aus federleichten Glasfaserammoniten auf dem Hoteltisch abgelegt und sich mit einer zügigen Bewegung den schwarzen Pulli über den Kopf gezogen hatte. Sie trug einen BH von derselben Farbe der Strümpfe. Ein Spießer wie Baby Hübner wäre halb in Ohnmacht gefallen. Eine Frau eingerichtet wie ein Schlafzimmer.
Aber nicht Baby Hübner lag in dem breiten Hotelbett, sondern ein wesentlich jüngerer Mann, dem die hellbraunen Haare schräg ins Gesicht hingen. Ganz so jung war er wohl auch wieder nicht. Um seine Hüften klebte ein wenig Fett. Er trug Boxershorts, die ihm eine Nummer zu klein waren. Er hatte unregelmäßig verteilte Bartstoppeln, hübsche Rehaugen, einen sentimentalen Blick und sah einigermaßen verbeult aus. Über seine rechte Wange zog sich ein rotblauer Strich.
»Wieso riskant?« fragte er. »Du machst nichts Illegales.«
»Jetzt hör aber auf. Mein Mann verschwindet, und ich habe nichts Besseres zu tun, als es mir von einem Dreißigjährigen besorgen zu lassen. Wenn das die Polizei
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