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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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warmen Wasser wie angewurzelt dastehende griechische Detektiv.
    »Das wäre sogar die bessere Lösung, zu spät zu sein«, antwortete Steinbeck. »Manches Unschöne ließe sich vermeiden.«
    Dann marschierte Lilli los, wie um das Unschöne einzulösen. Wobei sie sehr bald gezwungen war, die steile Wand aufwärts zu klettern. Was ihr nicht weiter schwerfiel, obgleich sie ja keineswegs zu den Sportlichen zählte. Doch ihr Vater hatte sie früh in die Berge mitgenommen. Sie war damit aufgewachsen, sich wie ein Äffchen zu bewegen, sich an zwei Fingern hochzuziehen und Gegenden zu erklimmen, die zu genießen man in der Regel viel zu erschöpft war. Aber sie konnte es nun mal perfekt. Kallimachos sah ihr erstaunt nach. Er murmelte: »Wahrscheinlich eine Hexe.«
    Schon möglich, daß Lilli Steinbeck eine Hexe war, genauso, wie vermutlich Viola Stransky eine war und mit Sicherheit jene Mutter und Königin namens Esha Ness. Aber die alleinige Feststellung, jemand sei eine Hexe, nützte nicht viel. Was für eine Hexe denn? Die Hexen waren in die Welt gekommen wie die Engel. Die Engel ohne Flügel und die Hexen ohne Besen. Die Frage war vielleicht die, wo all die Besen abgeblieben waren. Und was mit der Welt geschehen würde, wenn diese Besen einmal auftauchten. Gnade uns Gott!
    Noch aber war Lilli Steinbeck gezwungen, die zweihundert Meter hohe Wand mit Hand und Fuß zu überwinden. Sie tat es, und zwar mit einer erstaunlichen Schnelligkeit. Ging es bergauf, war sie wie verwandelt.
    Oben angekommen, war die Schießerei auf der Außenseite des Kegels verebbt. Der warme Wind trug nun wieder allein die Geräusche bewegter Pflanzen, bewegter Seevögel und von fern das prägnante Kreischen der Pinguine herbei. Vom Kraterrand aus sah Lilli auf die flach absteigende, buckelige, von hohen und niedrigen Gräsern bewachsene Westseite der Insel, hinunter zur Terrasse des Pingouins . Niemand war zu sehen. Zumindest niemand, der in Frage kam, Schüsse abgegeben zu haben. Denn ganz alleine war Lilli Steinbeck nicht. Hinter einem Busch registrierte sie eine Bewegung, die von etwas stammen mußte, was kleiner als ein Mensch war, wenn es sich nicht um einen Zwerg oder ein Kind handelte. Lilli trat vorsichtig in die Mulde und umging das fragliche Gestrüpp. Jetzt sah sie, was zu sehen war: ein Vogel. Beziehungsweise ein Huhn. Etwas in der Art eines Huhns, ein Maxihuhn, vielleicht einen Meter groß. Lilli erschrak heftig. Es war immer ein Schock, ohne den Schutz eines Käfigs oder den Schutz bloßer Illustration einem Wesen in größerer als der vertrauten Form zu begegnen. Dieses dickschnabelige Huhn hier, weiß gefiedert, mit einem schwabbeligen Körper und dicken Beinen, erinnerte stark an den im Meer verbliebenen Spiridon Kallimachos. Das Tier hatte etwas Schweratmiges an sich, die kleinste Bewegung schien einen Zustand der Erschöpfung nach sich zu ziehen. Fehlte eigentlich nur noch die Zigarette.
    In ihren Schrecken hinein überlegte Lilli, daß es sich dabei um die Kreatur handeln mußte, von welcher der Informant in Port Louis gesprochen hatte, das Fossil, hinter dem Stransky her war.
    So befremdlich massig das Tier war, so freundlich und zutraulich schien es, watschelte ein Stück auf Lilli Steinbeck zu, als wollte es gestreichelt oder gefüttert werden. Nichts lag Lilli ferner, weshalb sie auswich und auf einen kleinen Hügel stieg.
    Nun, sie hätte bei der Ente oder dem Truthahn oder was auch immer es darstellte bleiben sollen. Es erging ihr wie den Leuten, die aus Angst vor einer Spinne auf dem Badezimmerboden ausrutschen und sich fast das Genick brechen. Während Lilli noch hinunter auf das fettleibige Tier blickte, hatte jemand sie von hinten gepackt und auf die andere Seite des Hügels gezerrt. Sie sah ein Messer blitzen, dessen ausgesprochen dünne und schmale, aber sichtbar scharfe Klinge einen Fingerbreit vor ihrem Hals stand. Pessoa. Ja, es war eindeutig ein Pessoa-Messer, wie Profis es verwendeten. Die Profis unter den Pilzesammlern und die Profis unter den Killern. Jedenfalls Leute, die wußten, was sie taten, und Messer nicht mit Schlagbohrmaschinen verwechselten. Mit einem Pessoa brauchte man nur einmal zuzustechen oder durchzuschneiden. Wer mit einem Pessoa-Messer sinnlos wütete, geriet eher in Gefahr, sich selbst zu verletzen, als einen ohnedies Toten noch toter zu machen. Gleich, ob Pilz oder Mensch.
    Als Steinbeck und der Mann – ja, es mußte ein Mann sein, Lilli spürte das, wie man ein eitriges Nagelbett

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