Lilly Höschen (01): Walpurgismord
Gutbrodt nicht, dass er seine Frau umbringt, sie in meinen Garten setzt, DNA und sonstige Spuren hinterlässt und dann nicht mehr auffindbar ist.«
»Das alles können wir erst klären, wenn wir ihn gefunden haben. Bis dahin werde ich Ihr Haus überwachen lassen.«
Lilly schaute den Kommissar an und sagte missmutig:
»Wenn Sie meinen. Sagen Sie, wie ist Frau Gutbrodt eigentlich umgebracht worden? Und ist sie unten von der Straße in meinen steilen Garten hochgeschleppt worden oder von oben über den Zaun?«
»Sie wollen es aber genau wissen. Na gut. Sie wurde erschossen. Und um Ihre zweite Frage zu beantworten: Sie wurde oben vom Wald aus über den Zaun in den Garten gebracht. Und mittlerweile haben wir auch den Tatort gefunden. Sie wurde etwa fünfhundert Meter von Ihrem Zaun entfernt in der Schutzhütte umgebracht. Und genau da haben wir auch Beweisstücke gefunden, die auf Herrn Gutbrodt als Täter hinweisen. Haben Sie mir eigentlich alles gesagt, was Sie wissen? Oder ist Ihnen noch irgendetwas eingefallen, was wichtig sein könnte?«
»Ich habe alles gesagt, was ich weiß.« Lilly war zwar etwas unwohl, dass sie ihm ihr Treffen mit Gutbrodt verschwiegen hatte, aber im Moment konnte sie einfach nicht anders.
»Gut«, fuhr Schneider fort, »Sie kennen den Freund oder Liebhaber der Toten, diesen Maximilian Schmecke?«
»Ja, leider. Ich habe ihn mal unterrichtet. Er kommt aus einem guten Haus. Ich mag seine Mutter sehr. Sie ist eine fleißige Frau, die sich für ihren Sohn schon mehr als ein Bein ausgerissen hat. Aber leider hat sich Maximilian zu einem Taugenichts entwickelt. Möglichst wenig arbeiten, dafür tolle Autos fahren und mit allerlei Frauen herummachen.«
»Gut, Fräulein Höschen. Sie haben uns sehr geholfen. Diesen Herrn werden wir uns auch ansehen müssen.«
Der Kommissar und seine stumme Assistentin verließen das Haus. An der Tür drehte er sich noch einmal um und sagte:
»Es würde mich beruhigen, wenn Sie nicht allein im Haus sind. Ihr Neffe hat mir gesagt, dass er erstmal hier übernachten wird. Vielleicht suchen Sie sich tagsüber Gesellschaft. Abgesehen davon wird ein Polizist Tag und Nacht ein Auge auf Sie haben.«
»Das ist sehr nett von Ihnen. Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden, damit ich weiß, wann ich wieder meinem normalen Leben nachgehen kann. Obwohl, sollte tatsächlich Herr Gutbrodt etwas damit zu tun haben, wird er wohl kaum auf die Idee kommen, sich hier blicken zu lassen.«
»Fräulein Höschen, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Außerdem wissen wir ja nicht mit Bestimmtheit, ob Herr Gutbrodt der Täter ist. Wir müssen ihn nur finden, weil er zumindest ein wichtiger Zeuge für uns ist. Bitte melden Sie sich, wenn Ihnen irgendetwas ungewöhnlich vorkommt. Danke. Wir finden allein raus.«
»Dieser Kommissar ist ein netter Kerl«, meinte Lilly zu Eddy, als dieser das Zimmer betrat.
»Um so wichtiger wäre es gewesen, ihm über dein Treffen mit diesem Staatsanwalt zu berichten.«
»Papperlapapp.«
Gegen acht Uhr kam ein Anruf von Amadeus:
»Tante Lilly, ich komme etwas später, denn im Moment stecke ich im wahrsten Sinne des Wortes fest.«
»Kein Problem, Eddy ist noch bei mir.«
»Autsch! Verdammt noch mal! Scheiße!«
»Sag mal, wie redest du mit deiner Erbtante?«
»Entschuldigung, das habe ich nicht zu dir gesagt. Ich stecke wirklich fest. Mit meinem Finger zwischen den Sprossen einer Bank.«
»Mein Gott, Junge, was machst du schon wieder für einen Blödsinn?«
»Ich bin im Garten von Maries Eltern, weil ich noch schnell eine Bratwurst essen wollte.« Jetzt hörte Lilly ein fürchterliches Geräusch und Amadeus schrie auf.
»Um Himmels Willen, was war denn das?«
»Maries Vater hat gerade die Bank mit der Kettensäge in zwei Teile geschnitten.«
Marie war Amadeus‘ Freundin, ein nettes Mädchen, das Lilly sehr mochte. Ihr Vater legte die Säge beiseite und sagte ganz trocken in seinem Harzer Dialekt:
»So, das Scheißding kommt jetze auf´n Müll, und mir kaufen uns ne neue Bank, und zwar aus Plastik. Dann brauch ich die alte wenichstens net mehr streichen.«
Im Gegensatz zu Amadeus war dieser Mann sehr praktisch veranlagt.
Goslar, 13. Juli 2010
Gisela Berger war spät dran. Sie hatte diesen scheiß Wecker mal wieder nicht gehört, weil sie die halbe Nacht am Computer gesessen hatte. Sie würde es nicht mal mehr schaffen, unter die Dusche zu gehen, weil ihr Chef, der überkorrekte, superpünktliche, stets ordentlich gekleidete,
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