Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
nachdenklich. »Um kurz vor zwei Uhr chinesischer Zeit kam der Kontakt zustande.«
    »Und gleich darauf macht sie sich aus dem Staub.« Xin lächelte dünn. »Kluges Kind.«
    »Wo waren Sie sonst noch?«
    »In ihrem Zimmer. Nichts. Kein Computer. Sie hat gründlich sauber gemacht, bevor sie verschwand. Auch an der Uni keine Spur von ihr, keine Möglichkeit der Akteneinsicht. Letzteres könnte ich arrangieren, aber es wäre mir lieber, Sie kümmerten sich darum. In die Datenbank einer Universität werden Sie ja wohl reinkommen.«
    »Welche Universität ist es denn?«
    »Shanghai University, Shangda Lu, im Bao Shan District.«
    »Kenny, ich muss Sie nicht darauf hinweisen, wie brisant die Sache ist. Also legen Sie ein bisschen Tempo vor. Wir brauchen den Computer dieses Mädchens. Unbedingt!«
    »Sie bekommen ihn und das Mädchen«, sagte Xin und beendete die Verbindung.
    Er sah wieder hinaus auf die urbane Wüste.
    Der Computer. Kein Zweifel, dass Yoyo ihn bei sich trug. Xin fragte sich, was die Gründe für ihren überstürzten Aufbruch gewesen waren. Ihr musste klar geworden sein, dass man ihr Eindringen nicht nur bemerkt und einen Gegenangriff auf ihr System gestartet, sondern zugleich ihre Daten heruntergeladen hatte und somit ihre Identität kannte. Grund, sich Sorgen zu machen, nicht aber, Hals über Kopf die Flucht zu ergreifen. Etliche Netzwerke schützten sich, indem sie die Computer derer, die absichtlich oder unabsichtlich bei ihnen eindrangen, in einer Blitzattacke ausschalteten und bei der Gelegenheit gleich auch deren Daten zu sich rüberzogen. Das alleine reichte nicht. Etwas anderes hatte Yoyo befürchten lassen, ab sofort keine Minute lang mehr sicher zu sein.
    Es gab nur eine einzige Erklärung.
    Yoyo hatte etwas gelesen, das sie nicht hätte lesen sollen.
    Was hieß, dass die Verschlüsselung vorübergehend außer Kraft gesetzt worden war. Ein Fehler im System. Ein Loch, das sich unvermutet geöffnet und ihr Einblick gewährt hatte. Falls das zutraf, konnten die Folgen in der Tat entsetzlich sein! Die Frage war, wie schnell sich das Loch wieder geschlossen hatte. Nicht schnell genug, so viel stand fest, der kurze Blick hinein hatte gereicht, um das Mädchen in die Flucht zu schlagen.
    Doch wie viel wusste sie wirklich?
    Er brauchte mehr als den Computer. Er musste Yoyo finden, bevor sie Gelegenheit hatte, ihr Wissen weiterzugeben. Die einzige Hoffnung hieß derzeit Grand Cherokee Wang. Eine schäbige Hoffnung, zugegeben. Doch wann wäre die Hoffnung je mehr gewesen als die armselige Schwester der Gewissheit. Jedenfalls würde der Kerl Yoyo samt ihrem Computer verkaufen, sobald sie sich in der WG blicken ließ.
    Xin runzelte die Stirn. Etwas an der Art, wie er stand, gefiel ihm nicht. Er rückte einen Schritt nach links, bis er genau zwischen zwei Fensterstreben zu stehen kam, beide Schuhspitzen gleich weit von der Bodeneinfassung des Fensters entfernt.
    So war es besser.
     

PUDONG
     
    »Ich kenne Yoyo seit ihrer Geburt«, sagte Tu. »Sie wuchs zu einem normalen Teenager heran, das Hirn durchweicht von romantischen Vorstellungen. Dann hatte sie ein Schlüsselerlebnis. Nichts Spektakuläres, aber ich schätze, es war eine dieser Wegkreuzungen im Leben, an denen sich entscheidet, wer du wirst. Kennst du Mian Mian?«
    »Die Schriftstellerin?«
    »Eben die.«
    Jericho überlegte. »Muss Ewigkeiten her sein, dass ich eines ihrer Bücher gelesen habe. Sie war ein Aushängeschild der Szene, richtig? Ziemlich populär in Europa. Ich weiß noch, dass ich mich wunderte, wie sie es durch die Zensur geschafft hat.«
    »Oh, ihre Bücher waren lange verboten! Inzwischen kann sie tun, was sie will. Als Shanghai sich zur Partyhauptstadt erklärte, repräsentierte sie das Spannungsfeld zwischen Gosse und Glamour, weil sie beides kannte und überzeugend darüber sprechen konnte. Heute ist sie so etwas wie die Schutzheilige der hiesigen Künstlerszene. Mitte 50, etabliert, sogar die Partei schmückt sich mit ihr. Im Sommer 2016 las sie im Guan Di im Fuxing-Park, kurz bevor es abgerissen wurde, aus einem neuen Roman, und Yoyo ging hin. Anschließend hatte sie Gelegenheit, mit Mian Mian zu sprechen, was in einer mehrstündigen Tour durch Clubs und Galerien gipfelte. Danach war sie wie berauscht. Du musst dir die symbolische Koinzidenz klarmachen. Mian Mian hat mit 16 zu schreiben begonnen, als unmittelbare Folge des Selbstmords ihrer besten Freundin, und Yoyo war gerade 16 geworden.«
    »Und beschloss,

Weitere Kostenlose Bücher