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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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den Kopf. »Sie brächte nie einen guten Roman zustande. Dafür traue ich ihr zu, im Alleingang den Mord an John F. Kennedy aufzuklären. Sie brilliert in der Recherche, im Angriff. Die Zensoren haben das früh erkannt. Auch Hongbing weiß es. Darum hat er solche Angst, auch, weil Yoyo jemand ist, dem andere hinterherlaufen. Sie hat Charisma, sie ist glaubwürdig. Gefährliche Eigenschaften aus Sicht der Partei.«
    »Wann wurde sie aktenkundig?«
    »Erst mal passierte nichts. Die Behörden warteten ab. Yoyo gehörte praktisch zum Inventar meiner Firma, sie ließ ein ausgeprägtes Interesse an Holografien erkennen und ging uns bei der Entwicklung höchst spaßiger Programme zur Hand, und mit Spaß kann die Partei nicht umgehen. Sie weiß nicht, was sie davon zu halten hat. Es verunsichert sie, dass Chinesen erstmals in ihrer kulturellen Entwicklung Spaß als Wert betrachten.«
    »Aristoteles hat ein Buch über das Lachen geschrieben«, sagte Jericho. »Wusstest du das?«
    »Ich kenne meinen Konfuzius besser.«
    »Kaum ein Buch hat der Kirche so viel Verdruss bereitet wie dieses Traktat. Es hieß, wer lache, der lache am Ende auch über Gott, über den Papst, über den ganzen klerikalen Machtapparat.«
    »Oder über die Partei. Stimmt, da ziehen sich Parallelen. Andererseits, wer Spaß hat, ist seltener zornig und weniger politisch. Insofern findet die Partei Spaß wieder gut, und Yoyo ist eigentlich ein Spaßtyp. Irgendwann verlegte sie sich aufs Singen und gründete eine dieser Mando-Prog-Bands, die jetzt überall aus dem Boden schießen. Keine Party ohne Yoyo! Wenn du in der Szene unterwegs bist, kannst du ihr praktisch nicht entkommen. Vielleicht dachte man damals, je besser sich das Mädchen amüsiert, desto weniger steht von ihr zu befürchten. Ich schätze, wenn sie Yoyo in Ruhe gelassen hätten, wäre die Rechnung sogar aufgegangen.«
    Tu zog ein ehemals weißes Tuch aus den Untiefen seiner Hose und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Doch eines Morgens vor fünf Jahren waren plötzlich alle ihre Blogs gesperrt und alle Einträge ihres Namens aus dem Netz gelöscht. Am selben Tag wurde sie verhaftet und auf ein Polizeirevier gebracht, wo man sie erst mal schmoren ließ. Man warf ihr vor, eine Bedrohung für die Sicherheit des Landes zu sein und das Volk zur Subversion angestachelt zu haben. Einen Monat verbrachte sie dort, ohne dass Hongbing anfangs wusste, wo man sie festhielt. Er wurde schier wahnsinnig! Die ganze Sache erinnerte auf fatale Weise an den Fall der Titanmaus. Keine Anklage, keine Verhandlung, keine Verurteilung, nichts. Yoyo wusste selbst nicht, was sie angestellt hatte. Sie hockte in ihrer Zelle zusammen mit zwei Junkies und einer Frau, die ihren Mann erstochen hatte. Die Polizisten waren freundlich zu ihr. Am Ende setzte man ihr auseinander, weshalb sie da sei. Sie habe einen befreundeten Rockmusiker in Schutz genommen, der wegen irgendwelcher Frechheiten im Knast saß. Es war lächerlich. Laut Verfassung muss der Staatsanwalt innerhalb von sechs Wochen über Verfahren oder Freispruch entscheiden. Schließlich ließ man den Fall aus Mangel an Beweisen fallen, Yoyo erhielt eine Verwarnung und durfte nach Hause gehen.«
    »Überflüssig zu erwähnen, dass Hongbing ihr jede weitere kritische Betätigung im Netz untersagte«, mutmaßte Jericho.
    »Womit er das Gegenteil erreichte. Das heißt, fürs Erste gab sie sich lammfromm, schrieb Artikel für Internet-Zeitungen, sogar für Parteiorgane. Nach wenigen Wochen stieß sie auf einen Fall illegaler Giftmüllverklappung im Westsee. Ein Chemieunternehmen in der Nähe von Hangzhou, damals noch in Staatsbesitz, hatte sein Zeug dahin gekarrt und versenkt, woraufhin den Anwohnern die Haare ausfielen und noch Schlimmeres passierte. Der Direktor des Unternehmens –«
    »– war ein Cousin des Ministers für Arbeit und soziale Sicherheit«, rief Jericho aus. »Natürlich! Yoyo wusste das, dennoch thematisierte sie die Sache.«
    Tu starrte ihn verblüfft an.
    »Woher weißt du das?«
    »Mir ist endlich eingefallen, woher ich Yoyos Namen kenne!« Er genoss den Moment, da sein Gehirn die Blockade aufhob und die Erinnerung freigab. »Ich habe nie ein Bild von ihr gesehen. Aber der Giftmüllskandal ist mir präsent. Er ging damals durchs Netz, illegale Verklappung. Man gab ihr zu verstehen, sie habe sich geirrt. Yoyo sagte, sie könnten sie mal, und wurde prompt verhaftet.«
    »Nachdem Yoyo auf stur geschaltet hatte, bedurfte es weniger Stunden, und

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