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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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brächte die Freiheit automatisch mit sich, nur dass wir keine klare Vorstellung davon hatten, was Freiheit eigentlich ist. Seit über zwanzig Jahren dreht sich nun alles in unserem Land um diesen Begriff, jeder preist die Freuden des individuellen Lebenswandels, doch letztlich ist nur die Freiheit gemeint mitzumachen. Über die andere Freiheit wird ungern gesprochen, weil sie die Frage impliziert, welches Recht auf Alleinherrschaft eine Kommunistische Partei hat, die nicht mehr kommunistisch ist. Aus der linken Gewaltherrschaft ist eine rechte geworden, Owen, und daraus wiederum eine ohne jeden Inhalt. Wir leben unter dem Genussdiktat, und wehe, es kommt einer und meckert, da wären ja noch die Bauern und die Wanderarbeiter und die Hinrichtungen und die wirtschaftliche Unterstützung von Schurkenstaaten und all das.«
    Jericho rieb sich das Kinn.
    »Ich schätze mich glücklich, dass du mich all dieser Ausführungen würdigst«, sagte er. »Aber ich wäre noch glücklicher, wenn du den Bogen zurück zu Yoyo schlagen könntest.«
    »Verzeih einem alten Mann, Owen.« Tu sah ihn mit zerfurchter Miene an. »Aber ich rede die ganze Zeit über Yoyo.«
    »Ohne ihre persönlichen Hintergründe darzustellen.«
    »Owen, wie schon gesagt –«
    »Ich weiß«, seufzte Jericho. Er ließ seinen Blick über die Glas- und Stahlfronten des Jin Mao Tower wandern. »Es geht mich nichts an.«
     

JIN MAO TOWER
     
    Hinter einer der Fronten stand Xin und starrte hinaus auf das Dampfbad, in dem das nachmittägliche Shanghai brütete. Er hatte sich in seine geräumige Art-déco-Suite im 72. Stockwerk zurückgezogen. Zwei Seiten waren bis zum Boden verglast, doch selbst von dieser exponierten Warte aus bot sich dem Auge nichts als Architektur. Je höher man hinauf gelangte, desto mehr gingen die individuell gestalteten Wohn- und Geschäftshäuser in Gleichförmigkeit auf, als hätten Abertausende Termitenstämme nebeneinander Quartier bezogen.
    Er ließ sein Handy eine abhörsichere Nummer wählen.
    Jemand meldete sich. Der Bildschirm blieb schwarz.
    »Was haben Sie über das Mädchen herausgefunden?«, fragte Xin, ohne Zeit an Grußfloskeln zu verschwenden.
    »Wenig.« Die Stimme in seinem Ohr antwortete kaum merklich zeitversetzt. »Eigentlich hat sich nur bestätigt, was wir schon befürchtet hatten. Sie ist eine Aktivistin.«
    »Bekannt?«
    »Ja und Nein. Einiges in ihren Dateien lässt darauf schließen, dass wir es mit einem Mitglied einer Gruppe von Internet-Dissidenten zu tun haben, die sich Die Wächter nennt. Eine Gruppierung, die der Partei hauptsächlich mit Forderungen nach Demokratie lästig fällt.«
    »Sie meinen, Yoyo hat nicht gezielt nach uns gesucht?«
    »Das dürfte auszuschließen sein. Purer Zufall. Wir haben ihre Festplatte schneller gescannt, als sie sich ausklinken konnte, was darauf schließen lässt, dass der Angriff sie überrascht hat. Allerdings ist es uns nicht gelungen, ihren Computer zu zerstören. Sie muss über ein hocheffizientes Sicherheitssystem verfügen, und das verheißt leider nichts Gutes. Inzwischen gehen wir fest davon aus, dass sich zumindest Fragmente unserer Übertragungsdaten jetzt in Yuyuns – äh, Yoyos Computer befinden.«
    »Sie wird wenig damit anfangen können«, meinte Xin geringschätzig. »Die Verschlüsselung wurde härtesten Tests unterzogen.«
    »Unter anderen Umständen würde ich Ihnen recht geben. Aber so, wie Yoyos Abwehr aufgestellt ist, könnte sie über Entschlüsselungsprogramme verfügen, die über das Übliche hinausgehen. Wir hätten Sie kaum nach Shanghai gebeten, wenn wir nicht ernsthaft in Sorge wären.«
    »Ich bin mindestens ebenso in Sorge wie Sie. Am meisten besorgt mich die Dürftigkeit Ihrer Informationen, wenn ich so offen sein darf.«
    »Und was haben Sie Ihrerseits rausgekriegt?«, fragte die Stimme, ohne auf Xins Bemerkung einzugehen.
    »Ich war in dieser Wohngemeinschaft. Zwei Mitbewohner. Einer weiß nichts, der andere tut so, als könne er mich zu ihr führen. Er will natürlich Geld.«
    »Vertrauen Sie ihm?«
    »Sind Sie verrückt? Ich bin gezwungen, jede Chance zu nutzen. Er wird sich melden, keine Ahnung, was dabei herauskommt.«
    »Hat sie mit keinem der beiden über Verwandte gesprochen?«
    »Yoyo scheint nicht gerade mitteilsam zu sein. Man hat zusammen gesoffen, dann ist sie verschwunden, in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai, irgendwann zwischen zwei und drei Uhr.«
    Eine kurze Pause entstand.
    »Das könnte passen«, sagte die Stimme

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