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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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stark wie Superwoman, getragen von einer Woge kindischen Glücks, folgte sie Black zum Fahrstuhl, hopste in den geräumigen Käfig und sah die Habite der Basis wieder auftauchen, als sie über den Rand der Abschirmung hinausfuhren und die Bahnhofsplattform betraten. Gleich mehrere Gleisstränge verliefen hier oben. Ein beleuchteter, leerer Zug erwartete sie, einer irdischen Magnetbahn nicht unähnlich, nur weniger windschnittig geformt, wodurch er auf eigentümliche Weise altmodisch wirkte. Wozu auch? Es gab keinen Wind hier oben. Es gab ja nicht mal Luft.
    Sie schaute in die Ferne.
    Überfallartig bestürmten sie Eindrücke. Große Teile der Umgebung ließen sich von hier oben überblicken. Ein Hochland. Hügel und Grate, der Scherenschnitt langer Schatten. Krater wie Becken voll schwarzer Tinte. Eine weiß gleißende, tief stehende Sonne löste die Konturen des Horizonts auf, kulissenartig stach die Landschaft gegen den Weltraum ab. Kein Dunst, keine Atmosphäre streute das Licht, alles erschien ungeachtet seiner tatsächlichen Entfernung zum Greifen nahe, scharf konturiert. Jenseits des Flugfelds wanden sich die Gleise der Magnetbahn in ein mit Schwärze ausgegossenes Tal, behaupteten sich dank der Höhe ihrer Pfeiler eine Weile gegen die Dunkelheit und wurden übergangslos von ihr verschluckt.
    »Wir befinden uns hier keine 15 Kilometer vom geografischen Nordpol des Mondes entfernt«, sagte Black. »Auf einer Hochebene am nordwestlichen Rand des Kraters Peary, wo dieser an seinen Nachbarn Hermite grenzt. Die Region trägt den Beinamen ›Berge des ewigen Lichts‹. Hat jemand eine Idee, warum?«
    »Erklär's einfach, Peter«, sagte Julian milde.
    »Nun, Anfang der Neunziger begann man sich in besonderer Weise für die Pole zu interessieren, nachdem feststand, dass einzelne Kraterränder und Gipfel dort fortgesetzt im Sonnenlicht lagen. Das Problem einer bemannten Mondbasis war von jeher die Energieversorgung, und man wollte vermeiden, mit Kernreaktoren zu arbeiten. Schon auf der Erde gab es massenweise Initiativen dagegen, weil man fürchtete, ein Raumschiff mit so einem Reaktor an Bord könne abstürzen und auf besiedeltes Gebiet fallen. Als die Station geplant wurde, war Helium-3 noch eine vage Option, also setzte man wie gewohnt auf Sonnenenergie. Bloß, Sonnenkollektoren sind eine prima Sache, leider aber vollkommen nutzlos bei Nacht. Einige Stunden lassen sich mit Batterien überbrücken, doch die Mondnacht dauert 14 Tage, und so gerieten die Pole ins Visier. Zwar ist die Lichtausbeute hier etwas geringer als am Äquator, weil die Sonnenstrahlen extrem schräg einfallen, dafür hat man sie ununterbrochen zur Verfügung. Wenn Sie Ihren Blick auf die Anhöhen lenken, sehen Sie ganze Felder von Kollektoren, die ihre Position ständig dem Sonnenstand angleichen.«
    Black machte eine Pause und ließ sie die Hügel nach den Kollektoren absuchen.
    »Trotzdem stellen die Pole nicht eben die Traumposition für eine Basis dar. Extrem schräger Sonnenstand, wie schon gesagt, ziemlich weitab vom Schuss, und das Mondteleskop hätte man lieber auf der Rückseite gehabt. Kritiker bemängeln zudem, unmittelbar vor Baubeginn sei die Nutzung von Helium-3 in greifbare Nähe gerückt, sodass man die Pläne über den Haufen hätte werfen und die Basis dort bauen sollen, wo man sie am liebsten gehabt hätte, rund um die Uhr versorgt von einem Fusionsreaktor. Tatsächlich klingt es paradox, dass Helium-3 ausgerechnet auf dem Mond nicht zum Einsatz gelangt, trotzdem verfolgte man die ursprünglichen Pläne weiter. Es gibt nämlich einen anderen Grund, der für die Pole spricht. Die Temperatur. Für Mondverhältnisse ist sie hier geradezu moderat, konstante 40 bis 60 Grad in der Sonne, während sie am Äquator zur vollen Mittagszeit weit über 100 Grad beträgt. Nachts hingegen sinkt das Thermometer auf minus 180 Grad. Kein Baumaterial liebt auf Dauer solche Schwankungen, es muss sich wie verrückt ausdehnen und zusammenziehen, wird brüchig und leck. Und noch eine Überlegung begünstigte die Pole. Wo die Sonne so dicht über den Horizont dahinkroch, musste es da nicht auch Regionen geben, die nie von ihr beschienen wurden? Falls ja, bestand die Aussicht, dort etwas zu finden, das es auf dem Mond eigentlich nicht geben konnte: Wasser.«
    »Und warum kann es das hier nicht geben?«, fragte Winter. »Warum nicht wenigstens einen Fluss oder einen kleinen See?«
    »Weil es in der Sonne sofort verdampfen und in den offenen Weltraum

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