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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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über jeden Ihrer Schritte. Sobald die Checks abgeschlossen sind, pumpe ich die Luft aus der Kabine, und wir legen die Reihenfolge des Ausstiegs fest. Betrachten Sie es nicht als ungalant, wenn ich als Erster aussteige, es dient der Konservierung Ihres Heldentums, denn ich werde Sie beim Verlassen der Charon filmen, außerdem erhalten wir Ihren Sprechfunk der Nachwelt. Alles klar? Willkommen auf dem Mond!«
    Auf dem Mond.
    Sie waren auf dem Mond.
    Sie waren tatsächlich auf dem verdammten, dicken Mond gelandet, und das Sechstel Gravitation des Trabanten zog O'Keefe mit der Sanftheit einer Geliebten zu sich herab, seine Gliedmaßen, seinen Kopf, seine inneren Organe und Körpersäfte, ach ja, die Säfte, zog und zog und zog etwas aus ihm heraus, und es war draußen, bevor er die Hinterbacken zusammenkneifen konnte. Warm und fröhlich lief es in den dafür vorgesehenen Beutel, eine Freudenfontäne, ein Hoch auf die Schwerkraft, ein Gastgeschenk an den grauen, verkraterten Kerl, dessen Oberfläche sie nun für die Dauer einer Woche bewohnen durften. Er warf einen verstohlenen Blick auf Momoka Omura, als bestünde die Möglichkeit, dass sie sich umdrehen, ihm in die Augen schauen und es ihm ansehen, es wissen würde.
    Dann zuckte er die Achseln. Wer mochte sich außerhalb der Erde nicht schon alles in die Hose gepinkelt haben? Man konnte in schlechterer Gesellschaft sein.
     

PEARY-BASIS, NÖRDLICHER POL
     
    Stiefelabdrücke zu hinterlassen, gehörte zu den Privilegien der Pioniere, was dem Typus des Verwalters komfortable Optionen einräumte. Er kannte die Risiken, ohne ihnen ausgesetzt gewesen zu sein. Er war vertraut mit Naturerscheinungen, Appetit und Bewaffnung der ansässigen Flora und Fauna, wusste sich auf die Renitenz der Ureinwohner einzustellen. Seine Kenntnis verdankte sich der fiebrigen, potenziell selbstmörderischen Neugier des Entdeckertypus, der nicht anders konnte und wollte, als sein Leben auf dem schmalen Grat zwischen Triumph und Tod zu verbringen. Schon beim Vorgängermodell des Homo erectus, dessen waren sich die Anthroposophen sicher, hatte die Menschheit Tendenzen zur Aufspaltung in eine verwaltende Majorität sowie eine kleine Gruppe solcher gezeigt, die nicht still sitzen konnten. Letztere verfügten über ein spezielles Gen, bekannt als Kolumbus-Gen, Novelty-Seeking-Gene oder schlicht D4DR in verlängerter Version, codierend für die außergewöhnliche Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten und Risiken einzugehen. Zur Kultivierung der eroberten Gebiete eignete sich der Haufen Draufgänger naturgemäß weniger. Lieber erschlossen sie weiße Flecken, ließen sich von neuartigem Getier beißen und schufen überhaupt erst die Voraussetzungen dafür, dass der konservativ veranlagte Teil nachrücken konnte. Sie waren die ewigen Scouts, denen ein Fußabdruck in Terra incognita alles galt. Umgekehrt entsprach es der Natur des Verwalters, Lehm, Sumpf, Sand, Kies, Schlick und was es sonst an amorpher Unberührtheit gab, dem Diktat geebneter Flächen zu unterwerfen, sodass Evelyn Chambers, als sie, von Ehrfurcht durchloht, die Gangway der Charon herabschritt und erstmals Mondboden betrat, keinen bleibenden Eindruck hinterließ, sondern sich auf solidem Beton wiederfand.
    Für die Dauer einer Sekunde war sie enttäuscht. Auch andere schauten reflexartig auf ihre Füße, als sei das Betreten des Mondes untrennbar mit dem Stempeln des Regoliths verbunden.
    »Ihr werdet noch früh genug Abdrücke hinterlassen«, sagte Julians Stimme, in alle Helme geschaltet.
    Einige lachten. Der Moment verfehlter Erwartungen verging und machte ungläubigem Erstaunen Platz. Sie tat einen zögerlichen Schritt, noch einen, federte ab – und wurde kraft ihrer Wadenmuskulatur über einen Meter in die Höhe getragen.
    Unglaublich! Absolut unglaublich!
    Nach über fünf Tagen in der Schwerelosigkeit spürte sie die vertraute Bürde ihres Gewichts und spürte sie doch nicht. Eher, als habe eine ominöse Comicheftchenstrahlung sie mit Superkräften ausgestattet. Überall um sie herum gerieten wilde Hopsereien in Gang. Black scharwenzelte mit seiner Kamera zwischen ihnen umher und hielt drauf.
    »Wo ist das Sternenbanner?«, dröhnte Donoghue. »Ich will es in den Boden rammen!«
    »Da kommen Sie 56 Jahre zu spät«, lachte Ögi. »Die Schweizer Flagge allerdings –«
    »Imperialisten«, seufzte Heidrun.
    »Keine Chance«, sagte Julian. »Es sei denn, ihr wollt eure Flaggen in den Boden sprengen.«
    »Hey, seht euch das an«,

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