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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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hauchzart und zerdehnt, als spiele das Orchester unter Drogen.
    »Wunderschön«, sagte Eva Borelius hinter Chambers. »Was ist das?«
    »Aram Chatschaturjan«, antwortete Rogaschow. »Adagio für Solo-Cello und Streicher aus der Gaianeh-Suite.«
    »Bravo Oleg.« Julian drehte sich um. »Können Sie auch sagen, welche Aufnahme?«
    »Ich schätze, es dürften die Leningrader Philharmoniker unter Gennari Roschdestwenski sein, oder nicht?«
    »Mein Gott, wie gebildet.« Borelius schien völlig perplex. »Sie kennen sich aber sehr genau aus.«
    »Vor allen Dingen kenne ich die Vorliebe unseres Gastgebers für einen bestimmten Film«, sagte Rogaschow ungewohnt heiter. »Sagen wir mal, ich war vorbereitet.«
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie sich so sehr für Klassik –«
    »Nein«, ließ sich Olympiada vernehmen, »man traut es ihm nicht zu.«
    Hoppla, dachte Chambers. Das wird ja immer besser.
    Lynn postierte sich im Mittelgang.
    »Vielleicht ist Ihnen aufgefallen«, sprach sie in ein kleines Mikrofon, »dass die Reihe immer dann an mir ist, etwas zu sagen, wenn es um die Annehmlichkeiten der Unterbringung geht. Vorweg, was Sie auf dieser Reise erleben, hat den Charakter einer Premiere. Sie waren die ersten Gäste im Stellar Island Hotel, und Sie werden die Ersten sein, die das Gaia betreten. Automatisch genießen Sie damit als Erste eine Fahrt im Lunar Express, der die knapp 1300 Kilometer bis zum Hotel in weniger als zwei Stunden zurücklegen wird. Die eigentliche Funktion des Bahnhofs, den wir gerade verlassen haben, ist allerdings die eines Umschlagplatzes. Im nordwestlichen Mare Imbrium wird Helium-3 gefördert. Über die Schiene gelangen die Tanks hierher, werden in Raumschiffe verladen und zur OSS geschickt. Der Cargo-Gleisstrang wird eine Weile parallel zu uns verlaufen und kurz, bevor wir unser Ziel erreichen, nach Westen abknicken, gut möglich also, dass wir unterwegs einem Frachtzug begegnen.«
    In den Seitenfenstern blieb das Landefeld mit seinen Schutzwällen zurück. Die Magnetbahn beschleunigte, entfernte sich in einer weitläufigen Abwärtskurve von der Basis und strebte dem Schattenreich des Tals zu.
    »Unsere planmäßige Ankunftszeit im Hotel beträgt 19.15 Uhr, um Ihr Gepäck müssen Sie sich nicht kümmern. Während die Roboter es auf Ihre Zimmer bringen, treffen wir uns in der Lobby, lernen die Crew kennen, besichtigen die Anlage, und im Anschluss haben Sie Gelegenheit, sich frisch zu machen. Das Dinner ist heute ausnahmsweise etwas später angesetzt, um 20.30 Uhr. Danach empfiehlt es sich, schlafen zu gehen. Die Reise war strapaziös, Sie werden müde sein, außerdem hat Neil Armstrong berichtet, in der ersten Nacht auf dem Mond außergewöhnlich gut geschlafen zu haben. Von wegen, wach liegen bei Vollmond. – Gibt es für den Moment noch Fragen?«
    »Nur eine.« Donoghue hob die Hand. »Kann man einen Drink bekommen?«
    »Bier, Wein, Whisky«, strahlte Lynn. »Alles alkoholfrei.«
    »Ich wusste es.«
    »Wird dir gut tun«, sagte Aileen sehr zufrieden und tätschelte seinen Oberschenkel.
    Donoghue knurrte etwas Lästerliches. Wie zur Strafe verschluckte sie die Dunkelheit. Eine Weile sah man noch die hochgelegenen Kraterränder im grellen Sonnenlicht liegen, dann verschwanden auch diese aus dem Blickfeld. Nina Hedegaard verteilte Snacks. Passend zur höllischen Finsternis wurde György Ligetis Requiem eingespielt, merklich ging es abwärts, während der Lunar Express schneller und schneller wurde. Black erklärte, dass sie in einer Schneise zwischen Peary und Hermite unterwegs seien, dann schossen sie auch schon wieder ins Sonnenlicht, an schartigen Felsformationen vorbei und einer zerklüfteten Senke entgegen. Ein weiteres Mal dunkelte es, als sie die Innenseite eines kleineren Kraters passierten. Eben noch hatte Chambers begierig Ambers Familienleben ausloten wollen, jetzt verspürte sie keinen anderen Wunsch mehr, als diese fremdartige, unberührte Landschaft zu bestaunen, das brutal Archaische ihrer Steilwände und Höhenrücken, die samtige Verschwiegenheit ihrer staubgefüllten Täler und Ebenen, die völlige Abwesenheit von Farbe. Kalt erstrahlte die Sonne auf den Rändern der Einschlaglöcher, in ihrer Glut zerrann die Zeit. Niemand mochte sich mehr unterhalten, selbst Chucky brach einen Witz kurz vor der dürftigen Pointe ab und schaute wie gebannt nach draußen, wo sich ein blauweiß glitzerndes Juwel langsam über den Horizont schob und mit jedem Kilometer, den sie südwärts

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