Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
richtig viel Mühe.
    »Also dann – um halb neun im Selene.«
    »Ja. Vielen Dank.«
    Er wartete, bis sie gegangen war. Die Suite repräsentierte denselben schnörkellos eleganten Stil wie die Lobby. Hanna verstand nicht viel von Design, eigentlich gar nichts, doch hier waren Könner am Werk gewesen, das spürte auch er, schließlich hatte er sich für seine Rolle einiges an Kenntnis und Stilbewusstsein aneignen müssen. Außerdem mochte er klar konturierte, überschaubare Räume. Sosehr er Indien liebte, hatte er sich durch die überbordende Gemütlichkeit des landestypischen Einrichtungsstils stets belästigt gefühlt.
    Sein Blick schweifte zu dem wandgroßen Fenster.
    Sie hätten keinen besseren Platz für das Hotel finden können, dachte er. Das Plateau unterhalb Gaias, über einen Fahrstuhl erreichbar, ragte mit seinen vereinsamten Tennisplätzen weit in die Schlucht hinein. Von dort musste man einen großartigen Blick auf die erleuchtete Skulptur des Hotels haben. Zur Linken, wo die Felswände zusammenrückten und die Schlucht endete, führte ein natürlich aussehender Pfad in weitem Schwung auf die andere Seite.
    Was hatte Julian Orley gleich noch gesagt? Hinter den Gleisen des Lunar Express läge der Golfplatz.
    Ein Golfplatz auf dem Mond!
    Plötzlich durchfuhr Hanna ein Anflug von Bedrückung, nicht als derjenige hier sein zu können, für den ihn alle hielten. Er löschte die Empfindung aus, bevor sie ihn ernsthaft beschäftigen konnte, öffnete seinen silbernen Koffer, förderte seinen Computer zutage, ein schokoriegelgroßes Touchscreen-Gerät üblicher Bauart, sowie seinen Kulturbeutel, dessen Tiefen er den elektrischen Langhaarschneider entnahm. Mit routiniertem Griff zerlegte er ihn in zwei Hälften und entnahm seinem Inneren eine winzige Platine, die er dem Computer implantierte. Unmelodisch vor sich hin pfeifend schaltete er ihn ein und sah zu, wie das Programm hochlud und sich ins LPCS einklinkte.
    Sekunden später setzte ihn das Gerät darüber in Kenntnis, dass er eine Nachricht erhalten hatte.
    Er öffnete seinen E-Mail-Speicher. Sie kam von einem Freund und besagte, dass er die Hochzeit von Dexter und Stacey nicht vergessen solle. Unbeeindruckt vom Heiratswillen eines nicht existierenden Paars filterte er aus dem weißen Restrauschen, das der Botschaft anhing, einen Text von wenigen Zeilen Länge heraus, der nichts anderes enthielt als die Adressen mehrerer Dutzend Internetseiten, lud ein Symbol hoch – viele ineinander verschlungene Reptilienhälse, die einem einzigen Leib zu entwachsen schienen – und wartete einen Moment.
    Etwas entstand.
    In blitzschneller Folge schoben sich Silben und Wörter ineinander. Die eigentliche Nachricht nahm vor seinen Augen Gestalt an. Noch während die Rekonstruktion im Gange war, wusste er, dass es Schwierigkeiten gegeben hatte. Der Text war kurz, aber dringlich:
     
    Das Paket hat Schaden genommen. Es reagiert nicht mehr auf die Steuerung und kann den Einsatzort nicht aus eigener Kraft erreichen. Damit verändert sich Ihr Einsatzplan. Sie werden es reparieren oder den Inhalt selbst ins Ziel bringen. Falls es die Umstände erlauben, können Sie die Implantierung vorziehen. Handeln Sie umgehend!
     
    Umgehend.
    Hanna starrte auf das Display. Die Konsequenz trat ihm vor Augen wie ein ungeliebter Besucher. Umgehend hieß jetzt beziehungsweise, sobald es irgend möglich war, ohne Aufsehen zu erregen. Es bedeutete, dass er raus- und zurückmusste, später, wenn alle schliefen.
    Zurück zur Peary-Basis.
     

TISCHGESPRÄCHE
     
    Tim hatte Amber seit ihrem orbitalen Liebesflug jede Spekulation über Lynns mentale Verfassung erspart, aus Gründen der Rücksichtnahme, wie er sich einzureden versuchte, da seine Frau wild entschlossen war, den Trip zu genießen, tatsächlich, weil er hinreichend mit der Ausfechtung eigener Dilemmata beschäftigt war. Zunehmend ertappte er sich dabei, Vergnügen aus einer Reise zu ziehen, die er sich eigentlich vorgenommen hatte, von Herzen zu hassen: die Umstände ihres Zustandekommens, das überheblich Julianische daran. In gleichem Maße, wie er sich amüsierte, beschlich ihn ein pubertäres Empfinden von Hochverrat. Korrumpierbar durch ein Ticket! Er redete sich ein, es sei der Übermacht der Eindrücke zuzuschreiben, dass er unvermutet Anflüge von Sympathie für den alten Rattenfänger registrierte. War er nicht mit sich übereingekommen, Julian zu verabscheuen, der vor lauter Größenwahn nicht sah, auf wen er trat bei seinem

Weitere Kostenlose Bücher