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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Chang'e, die beiden Restaurants, nahmen die untere Hälfte ein, darüber lag die Luna Bar, ganz oben der Mama Killa Club, wo unter Sternen getanzt werden konnte. Von dort führte eine gläserne Luftschleuse zum höchstgelegenen Punkt des Hotels, einer Aussichtsterrasse, die nur im Raumanzug zu betreten war, und die ein spektakuläres 360-Grad-Panorama bot. Kokoschkas Schüchternheit außer Acht gelassen, umsorgten er, Ashwini Anand, Michio Funaki und Sophie Thiel die Gruppe mit großer Zuvorkommenheit. Lynn genoss allseits Bewunderung für ihr Hotel. Über kalt werdenden Speisen gab sie bereitwillig Auskunft, parierte Fragen wortreich, aufgekratzt und sichtlich geschmeichelt. Eine ganze Weile gab es keine anderen Themen als die fremdartige Welt, die sie betreten hatten, das Gaia und die Qualität des Menüs.
    Dann verlagerte sich der Fokus.
    »Chang'e«, sinnierte Mukesh Nair beim Hauptgericht, getrüffeltem Rehfilet, belegt mit hauchdünnen Scheiben gerösteten Brotes, die von zerfließender Foie Gras erglänzten. »Ist das nicht ein Begriff aus der chinesischen Raumfahrt?«
    »Ja und nein.« Rogaschow nahm einen Schluck alkoholreduzierten Château Palmers. »Einige Raumsonden waren so benannt, mit denen die Chinesen Anfang des Jahrtausends den Mond erkundeten. Aber eigentlich handelt es sich um eine mythologische Figur.«
    »Chang'e, die Göttin des Mondes«, nickte Lynn.
    »Gaia scheint nichts als Mythologie im Kopf zu haben«, lächelte Nair. »Selene war die Mondgottheit der Griechen, nicht wahr? So wie Luna die des antiken Roms –«
    »Das weiß sogar ich«, freute sich Winter. »Luna und Sol, dieser Sonnenknilch. Die Götter der Ewigkeit, wisst ihr, absteigend, aufsteigend, hoch, runter, ohne Unterlass. Der eine kommt, der andere geht, wie in einer Schichtarbeiterehe.«
    »Sonne und Mond. Schichtarbeiter.« Rogaschow ließ ein Lächeln spielen. »Leuchtet ein.«
    »Ich interessier' mich für Götter und Astrologie! Die Sterne sagen die Zukunft voraus.« Sie beugte sich vor, Reste von Reh mit dem Doppelgestirn ihrer Brüste beschattend, die sie zur Feier des Abends in ein schimmerndes Nichts genötigt hatte. »Und wisst ihr was? Wollt ihr noch was hören?« Ihre Gabel zerteilte die Luft. »Von einigen, also von denen, die echt Ahnung hatten im alten Rom, wurde sie Noctiluca genannt, und man hat extra einen Tempel für sie beleuchtet, nachts auf dem Palatin, das ist so ein Berg in der Stadt. Ich war nämlich mal dort, ganz Rom ist voller Berge, also keine Stadt in den Bergen, versteht ihr, sondern ein Stadtgebirge, falls es einer genau wissen will.«
    »Sie sollten uns öfter die Welt erklären«, sagte Nair freundlich. »Was heißt Noctiluca?«
    »Leuchterin der Nacht«, schloss Winter feierlich und belohnte sich mit einem nicht gesellschaftsfähigen Schluck Rotwein.
    »Und Mama Killa?«
    »Irgend 'ne Mutti, denke ich. – Julian, was heißt Mama Killa?«
    »Na ja, wir waren verlegen um Mondgöttinnen«, sagte Julian vergnügt, »aber Lynn hat dann doch einige ausgegraben, Ningal, die Gattin des assyrischen Mondgottes Sin, die babylonische Annit, Arabiens Kusra, Isis aus Ägypten –«
    »Aber Mama Killa gefiel uns am besten«, fiel Lynn ein. »Mutter Mond, die Göttin der Inkas. Nachfahren der Hochkultur verehren sie noch heute als Beschützerin verheirateter Frauen –«
    »Ach ja?« Olympiada Rogaschowa horchte auf. »Ich denke, in dieser Bar werde ich mich bevorzugt aufhalten.«
    Rogaschow zuckte mit keiner Miene.
    »Erstaunlich, dass Sie eine chinesische Mondgöttin in Betracht gezogen haben«, nahm Nair den Faden rasch wieder auf, bevor sich Verlegenheit breitmachen konnte.
    »Wieso denn?«, fragte Julian arglos. »Haben wir etwa Vorurteile?«
    »Na, Sie sind Chinas schärfster Konkurrent!«
    »Nicht ich, Mukesh. Sie meinen die USA.«
    »Ja, gewiss. Dennoch sehe ich an dieser Tafel Amerikaner, Kanadier, Engländer und Iren, Deutsche, Schweizer, Russen und Inder sitzen, und bis vor Kurzem hatten wir noch das Vergnügen französischer Gesellschaft. Nur erblicke ich keinen einzigen Chinesen.«
    »Keine Sorge, sie sind da«, sagte Rogaschow gleichmütig. »Wenn mich nicht alles täuscht, graben sie keine tausend Kilometer südwestlich von hier fleißig den Regolith um.«
    »Aber hier sind sie nicht.«
    »Kein Chinese würde in unsere Projekte investieren«, sagte Julian. »Die wollen ihren eigenen Fahrstuhl.«
    »Wollen wir den nicht alle?«, bemerkte Rogaschow.
    »Ja, aber wie Sie ganz richtig festgestellt

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