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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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habe er beschlossen, sich in den Weltraum zu verfügen.
    Dann fiel er.
    Das Letzte, was Grand Cherokee Wang durch den Kopf ging, war, dass er es immerhin versucht hatte.
    Dass er gar nicht so schlecht gewesen war.
     
    Xin legte den Kopf in den Nacken. Hoch über sich sah er Menschen das Glasobservatorium betreten. Auch der Korridor würde gleich öffnen. Zeit, sich davonzumachen. Er wusste, wie es in Überwachungszentralen von Hochhäusern zuging und dass während der vergangenen Viertelstunde kaum jemand einen Blick auf die Monitore geworfen hatte. Doch selbst wenn, hätte er nicht viel zu sehen bekommen, Wangs zweimalige Bekanntschaft mit dem Boden des Kontrollraums außer Acht gelassen, hatten sie die meiste Zeit eng beieinandergestanden. Zwei, die sich vertraut unterhielten.
    Jetzt allerdings hatte er den Drachen in Bewegung gesetzt. Vor der üblichen Zeit. Das fiel auf. Er musste hier raus.
    Xin zögerte.
    Dann wischte er rasch mit dem Ärmel seine Fingerabdrücke vom Display, hielt inne und polierte auch die Stellen, an denen Grand Cherokees Schmierfinger gewütet hatten. Andernfalls stand zu befürchten, dass ihn die Flecken bis in den Schlaf verfolgen würden. Gewisse Dinge neigten dazu, sich in Xins Schädel festzusetzen wie Blutegel. Endlich eilte er den Korridor entlang und verließ ihn auf dem Weg, den sie gekommen waren. Im Fahrstuhl zog er die Perücke vom Schädel, setzte die Brille ab, rupfte den Schnurrbart von der Oberlippe und wendete sein Jackett. Es war eigens für ihn gefertigt und so beschaffen, dass man es von beiden Seiten tragen konnte. Aus der grauen wurde eine sandfarbene Jacke, in die er Perücke, Bart und Brille stopfte. Er entschied, in der Sky Lobby des 28. Stockwerks den Fahrstuhl zu wechseln, fuhr ins Basement, durchquerte die Shopping Mall und trat hinaus ins helle Sonnenlicht. Draußen sah er Leute zur Südseite des Gebäudes laufen. Rufe wurden laut. Jemand schrie etwas von einem Selbstmörder.
    Selbstmord? Auch gut.
    Während Xin unter den Bäumen der Parkanlage schneller ging, zog er die Visitenkarte des Privatdetektivs hervor.
     

27. MAI 2025
    [PHANTOME]
    GAIA, VALLIS ALPINA, MOND
     
    Julians Verstand war ein Generator außergewöhnlicher Ideen, den er sich rühmte, nach Belieben ein- und ausschalten zu können. Wollten ungelöste Probleme mit unter die Bettdecke, beschloss er einzuschlafen und ruhte in komatöser Verzauberung, kaum dass sein Kopf das Kissen berührte. Schlaf war der Eckpfeiler seiner mentalen und körperlichen Gesundheit, und auf dem Mond hatte er bisher noch jedes Mal vorzüglich geschlafen.
    Nur in dieser Nacht nicht.
    Mit der Wiederkehr von Karussellpferden ging ihm das Gespräch beim Abendessen durch den Kopf, genauer gesagt Walo Ögis Bemerkung, warum er Washington nicht einfach die Ehe aufkündigte und den Basar seiner Technologien für eröffnet erklärte, um weltweit jedermann Zugang zu gewähren. In der Tat war es ein Unterschied, das beste Angebot anzunehmen oder alle Angebote. Es war sogar ein moralischer Unterschied. Einseitige Begünstigung, wo es doch um das Wohl von zehn Milliarden Menschen ging, auch wenn nicht jeder von denen umgehend einen Weltraumfahrstuhl im Vorgarten errichten würde, konnte ihm als heimtückisch und gewinnlerisch ausgelegt werden – ihm, der wie kein anderer seine unternehmerische Autonomie verfocht und auf Festreden schöne Dinge über globale Verantwortung und den Unfug des Kräftemessens von sich gab.
    Was Julian in dieser Nacht wach hielt, war der Umstand, in seinen geheimen Überlegungen zum wiederholten Male bestätigt worden zu sein. Zumal, und das stand der Moral ja keinesfalls im Wege, der allgemeine Zugang zu seinen Patenten nicht nur die Ökonomisierung des Mondes vorantreiben, sondern gleich auch bessere Geschäfte generieren würde. Der Schweizer hatte es auf den Punkt gebracht: Würden drei oder vier Nationen mehr über einen Fahrstuhl verfügen und auf dem Mond Helium-3 fördern, wäre die weltweite Umstellung auf aneutronische Fusion binnen weniger Jahre vollzogen. Orley Enterprises, explizit Orley Space, könnte den Fahrstuhlbau weniger solventer Länder mitfinanzieren, was Orley Energy Gelegenheit gäbe, Exklusivrechte an deren Stromversorgung zu erwerben. Das Reaktorgeschäft würde profitieren, Orley Energy zum größten Strom-Provider des Planeten werden. Dass Washington darüber alles andere als glücklich wäre, gut, damit musste man zurechtkommen.
    Doch es verhielt sich noch ein bisschen

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