Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
ihre Stimme simulieren, ihre Lippenbewegungen, ihre Gestik, einfach alles. Deine Version ist noch stark vereinfacht, dafür hattest du Yoyo pur.«
    »Eines musst du mir erklären.«
    »Solange du es nicht an Dao verkaufst.«
    Idiot, dachte Jericho, behielt es aber für sich.
    »Du weißt, dass ich das niemals täte«, sagte er stattdessen.
    »War nur'n Witz.« Tu stocherte in seinen Zähnen herum, förderte etwas kleines Grünes zum Vorschein und schnippte es weg. Jericho versuchte, nicht hinzusehen. Dennoch war es unvermeidlich, dass sein Blick zu der Stelle wanderte, wo das Rudiment gelandet war. Seine Irritation verdankte sich dem Umstand, dass Tu auf seiner neuen Multimediawand nicht nur lebensgroß, sondern in perfekter räumlicher Modulation erschien, sodass es aussah, als habe sich Jerichos Loft vorübergehend um einen Raum erweitert. Es hätte ihn nicht gewundert, den beiläufig entsorgten Essensrest auf seinem Parkett zu erblicken. Eindeutig stand das Vergnügen, Tu dreidimensional zu erleben, in keinem Verhältnis zur Erscheinung Naomi Lius.
    Sie hatte wirklich schöne Beine.
    »Owen?«
    Jerichos Augenlider flatterten. »Mir ist aufgefallen, dass Yoyos Präsenz in Menschenmengen verblüffend stabil ist. Wie macht ihr das?«
    »Firmengeheimnis«, flötete Tu.
    »Erklär's mir. Ich sehe mich sonst gezwungen, meinen Augenarzt aufzusuchen.«
    »Mit deinen Augen ist alles in Ordnung.«
    »Offenbar nicht. Ich meine, die Brille ist durchsichtig wie ein stinknormales Fenster. Ich sehe dadurch die Realität. Dein Programm kann was hinzuprojizieren, nicht aber die Wirklichkeit verändern.«
    »Macht es das denn?«, grinste Tu.
    »Du weißt genau, was es macht. Es lässt Menschen vorübergehend verschwinden.«
    »Ist dir nie die Idee gekommen, dass die Realität auch nur eine Projektion ist?«
    »Geht's weniger kryptisch?«
    »Sagen wir mal, wir könnten die Glasfläche auch weglassen.«
    »Und Yoyo würde trotzdem erscheinen?«
    »Bingo.«
    »Aber auf welchem Medium?«
    »Sie würde erscheinen, weil nichts von dem, was du siehst, bloße Realität ist. In Bügeln und Rahmen der Brille verbergen sich winzige Kameras, die dem Computer ein Abbild der wirklichen Welt liefern, damit er weiß, wie und wo er Yoyo einzufügen hat. Was du vielleicht übersehen hast, sind die Projektoren im Brilleninnenrand.«
    »Ich weiß, dass Yoyo auf das Brillenglas projiziert wird.«
    »Nein, das wird sie eben nicht.« Tus Körper erbebte unter verhaltenem Gelächter. »Das Glas ist überflüssig. Die Kameras erstellen ein Komplettbild, bestehend aus deiner Umgebung plus Yoyo. Und dieses Bild wird direkt auf deine Netzhaut projiziert.«
    Jericho starrte Tu an.
    »Du meinst, nichts von dem, was ich gesehen habe –«
    »Oh, du hast durchaus die wirkliche Welt gesehen. Aber nicht aus erster Hand. Du siehst, was die Kameras filmen, und der Film ist manipulierbar. In Echtzeit, versteht sich. Wir können den Himmel rosa machen, Menschen verschwinden oder ihnen Hörner wachsen lassen. Wir verwandeln deine Augen in Kinoleinwände.«
    »Unglaublich.«
    Tu zuckte die Achseln. »Es sind Anwendungen der virtuellen Realität, die Sinn ergeben. Wusstest du, dass der Großteil aller Erblindungen auf eine Trübung der Linse zurückzuführen ist? Die Netzhaut darunter ist in Ordnung, und wir projizieren die sichtbare Welt direkt auf die Netzhaut. Wir machen Blinde wieder sehend. Das ist der ganze Trick.«
    »Verstehe.« Jericho rieb sich das Kinn. »Und Yoyo hat daran mitgearbeitet.«
    »Genau.«
    »Du bringst ihr ziemlich viel Vertrauen entgegen.«
    »Sie ist gut. Sie steckt voller guter Ideen. Eine Ideenfabrik.«
    »Eine Praktikantin!«
    »Unerheblich.«
    »Nicht für mich. Ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe, Tian. Wie ausgebufft ist das Mädchen wirklich? Ist sie tatsächlich nur eine –« Dissidentin, hatte er sagen wollen. Dummer Fehler. Diamond Shield hätte den Begriff augenblicklich aus dem Gespräch herausgefiltert und seiner Akte zuaddiert.
    »Yoyo kennt sich aus«, erklärte Tu knapp. »Ich habe nie behauptet, dass es einfach sein würde, sie zu finden.«
    »Nein«, sagte Jericho mehr zu sich selbst. »Hast du nicht.«
    »Kopf hoch. Dafür ist mir noch was eingefallen.«
    »Und?«
    »Yoyo scheint Freunde bei einer Motorrad-Gang zu haben. Mir hat sie die Typen nicht vorgestellt, aber ich erinnere mich, dass auf ihren Jacken City Demons steht. Vielleicht bringt dich das weiter.«
    »Weiß ich schon, danke. Yoyo hat nicht zufällig

Weitere Kostenlose Bücher