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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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anders.
    Mehrfach hatte Zheng Pang-Wang versucht, ihn mit Peking zu verkuppeln, was Julian strikt abgelehnt hatte, bis ihm während eines gemeinsamen Mittagessens beim Londoner Nobelchinesen Hakkasan schlagartig klar geworden war, dass er seine amerikanischen Partner ja nur so lange betrog, wie er mit nur einer anderen Partei ins Bett ging. Seine Dienste jedem anzubieten, war hingegen nichts anderes, als jedem Menschen in jedem Land der Welt einen Toyota oder einen Big Mac zu offerieren. Washington würde das natürlich anders sehen. Man würde argumentieren, ein Abkommen auf Gegenseitigkeit geschlossen zu haben, in dem – exemplarisch auf Fast Food bezogen – das Fleisch von ihm, das Brötchen staatlicherseits beigesteuert würde, da keiner ohne den anderen handlungsfähig gewesen wäre.
    In einem Anfall von Mitteilsamkeit hatte er Zheng an seinen Gedanken teilhaben lassen.
    Dem alten Mann waren beinahe die Stäbchen aus der Hand gefallen.
    »Nein, nein, mein ehrenwerter Freund! Man kann eine Ehefrau und eine Konkubine haben. Was will die Konkubine daran ändern, dass man schon verheiratet ist? Nichts. Sie wird sich daran erfreuen, das angenehme Leben der Ehefrau zu teilen, aber ihre Begeisterung schwände schnell beim Gedanken an noch mehr Konkubinen. China hat zu viel investiert. Wir sehen mit Bedauern, wenngleich Respekt, dass Sie sich der Ehefrau verbunden fühlen, doch wenn plötzlich überall Fahrstühle aus dem Boden sprießen würden und jeder auf dem Mond seinen Claim absteckte, wäre das ein ungleich größeres Problem. Peking wäre sehr besorgt.«
    Sehr besorgt.
    Es gibt dabei lediglich ein Problem, Julian. – Einen solchen Gesinnungswandel zu überleben.
    Rogaschows Bemerkung hatte ihn geärgert, weil es ihm einmal mehr die Arroganz der Regierenden und ihrer Organe vor Augen führte. Nutzloses Pack. Was war das für eine Globalisierung, in der die Akteure keinerlei Ambitionen erkennen ließen, einander in die Karten schauen zu lassen, und man sich mit dem Phantom der eigenen Ermordung herumschlagen musste für den Fall, dass man den Kuchen gerecht aufteilte? Je länger er darüber nachdachte, desto heftiger fluteten chemische Wachmacher seinen Thalamus, bis er um kurz nach fünf keine Lust mehr hatte, Laken und Decke zu zerwühlen. Er stellte sich unter die Dusche und beschloss, den bemerkenswerten Umstand seiner Schlaflosigkeit zu nutzen, indem er einen Spaziergang entlang der Schlucht unternahm. Tatsächlich war er hundemüde, sein Körper jedenfalls war es, dennoch ging er ins Wohnzimmer, streifte Shorts und T-Shirt über, gähnte und schlüpfte in leichte Slipper.
    Als er den Kopf hob, kam es ihm vor, als habe er am linken Fensterrand eine Bewegung gesehen, einen dahinhuschenden Reflex.
    Er starrte hinaus auf die Schlucht.
    Da war nichts.
    Unschlüssig verharrte er, zuckte die Achseln und verließ die Suite. Niemand zu sehen. Wie auch? Alle lagen im Zustand tiefer Erschöpfung. Er trat zum Spind mit den Raumanzügen und begann sich anzukleiden, zwängte sich in die enge, stahlverstärkte Montur, legte Brustpanzer und Tornister an, klemmte den Helm unter den Arm und fuhr ins Kellergeschoss.
    Als er den Korridor betrat, glaubte er einen Moment lang zu halluzinieren.
    Aus Richtung des Bahnhofs kam ihm ein Astronaut entgegen.
    Julian blinzelte. Der andere näherte sich rasch über das Laufband. Weißes Licht überstrahlte seine Silhouette. Plötzlich hatte er die verrückte Empfindung, in eine gespiegelte Welt zu schauen und sich selbst am anderen Ende des Gangs zu erblicken, dann fanden die ovale Schädelform mit dem kurz geschorenen Haar, das kräftige Kinn und die dunklen Augen zu einem vertrauten Gesicht zusammen.
    »Carl«, rief er verblüfft.
    Hanna schien nicht weniger überrascht.
    »Was machst du denn hier?« Er verließ das Band und kam langsam auf Julian zu. Dieser hob irritiert die Brauen und schaute sich um, als könnten weitere Frühaufsteher aus den Wänden kommen.
    »Dasselbe frage ich dich.«
    »Tja, offen gestanden –« Hannas Blick bekam etwas Ertapptes, sein Lächeln verrutschte ins Dümmliche. »Ich –«
    »Sag bloß nicht, du warst draußen!«
    »War ich nicht.« Hanna hob beide Hände. »Ehrlich nicht.«
    »Aber du wolltest.«
    »Hm.«
    »Jetzt sag schon.«
    »Na ja, auf einen Sprung. Auf die andere Seite der Schlucht, um mir das Gaia von drüben anzusehen.«
    »Ganz alleine?«
    »Natürlich ganz alleine!« Hannas Schuljungenmiene verwandelte sich zurück in die eines

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