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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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erwähnt, wo die ihr Quartier haben?«
    »Schätze, das musst du selber rausfinden.«
    »Na schön. Sollten dir weitere Lichter aufgehen –«
    »Setze ich dich in Kenntnis. Warte mal.« Von jenseits der Projektion erklang Naomi Lius Stimme. Tu erhob sich und verschwand aus Jerichos Blickfeld. Jericho hörte beide in gedämpftem Tonfall miteinander reden, dann kehrte er zurück.
    »Entschuldige, Owen, aber es sieht so aus, als hätten wir einen Selbstmörder.« Er zögerte. »Oder ein Unfallopfer.«
    »Was ist passiert?«
    »Schreckliche Sache. Jemand ist zu Tode gestürzt. Die Achterbahn war in Betrieb, außerplanmäßig. Offenbar hat die Person dort oben gearbeitet. Ich melde mich wieder, okay?«
    »Okay.«
    Sie beendeten das Gespräch. Jericho blieb nachdenklich vor der leeren Wand sitzen. Etwas an Tus Bemerkung beunruhigte ihn. Er fragte sich, was der Grund dafür war. Allerorten stürzten sich Menschen von Hochhäusern. China verzeichnete die höchste Selbstmordrate der Welt, noch vor Japan, und Hochhäuser boten mithin die preiswerteste, effektivste Möglichkeit, aus dem Leben zu scheiden.
    Es ging nicht um den Selbstmord.
    Worum dann?
    Er förderte den Stick zutage, den Tu ihm gegeben hatte, legte ihn auf die Oberfläche der Arbeitskonsole und ließ den Computer Yoyos virtuelle Fremdenführungen, ihre Personalakte, Gesprächsprotokolle und Dokumente herunterladen. Die Akte enthielt zudem ihren Gen-Code, Stimmen- und Augenscan, Fingerabdrücke und Blutgruppe. Anhand der Führungen konnte er sich mit Motorik, Mimik und Sprechmodus vertraut machen, aus den Dokumenten und Gesprächsaufzeichnungen ließen sich häufig benutzte Ausdrücke und Redewendungen, Umschreibungen und Satzstellungen extrahieren. Damit war er im Besitz eines brauchbaren Persönlichkeitsprofils. Ein Steckbrief, mit dem sich arbeiten ließ.
    Doch womöglich sollte er mit dem anfangen, was er nicht hatte.
    Er ging online und schickte den Computer auf die Suche nach den City Demons. Er präsentierte ihm einen australischen Football Club in New South Wales, einen weiteren in Neuseeland, einen Basketballverein aus Dodge City, Kansas, sowie eine vietnamesische Gothic Band.
    Keine Dämonen in Shanghai.
    Nachdem er den Suchmodus erweitert und ihn instruiert hatte, Schreibfehler zu berücksichtigen, erzielte er einen Treffer. Zwei Mitglieder eines Biker-Clubs namens City Damons hatten sich im Club dkd in der Huaihai Zhong Lu eine Schlägerei mit einem halben Dutzend betrunkener Nordkoreaner geliefert, die dort das Hohelied ihres ermordeten Führers gesungen hatten. Die Biker waren mit einer Verwarnung davongekommen, was sich dem Umstand verdankte, dass die chinesische Führung Kim Jong-un posthum zur Persona non grata erklärt hatte, um der Stimmungslage im wiedervereinigten Korea Tribut zu zollen. Aus vielerlei Gründen war Peking bemüht, jede nostalgische Verklärung des nordkoreanischen Totalitarismus im Keim zu ersticken.
    City Damons. Mit a.
    Als Nächstes fand der Computer einen Blog, in dem Shanghais HipHop-Szene den Vorfall im Club dkd aufgriff und das couragierte Vorgehen zweier Mitglieder der City Demons mit e thematisierte, die den nordkoreanischen Teufeln unter Einsatz von Leib und Leben den Weg nach draußen gewiesen hätten. Ein Link führte zu einem Biker-Forum, das Jericho in der Hoffnung durchstöberte, mehr über die Demons zu erfahren. Dort bestätigte sich sein Verdacht, dass die Beiträge von den City Demons selbst ins Netz gestellt worden waren. Das Forum erwies sich als Werbeplattform einer Werkstatt für E-Bikes und Hybrid-Bikes namens Demon Point, dessen Besitzer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den City Demons angehörte.
    Und das war interessant.
    Denn die Werkstatt lag am Rande von Quyu: einer Parallelwelt, in der kaum jemand einen eigenen Computer oder Netzanschluss besaß, andererseits an jeder Ecke ein schwarzes Loch namens Cyber Planet zu finden war, das Jugendliche absorbierte und nie wieder ausspuckte. Eine Welt unter der Regentschaft mehrerer Subklans der Triaden, die mal paktierten, meist rivalisierten und Einigkeit nur in der Ausübung aller vorstellbaren Verbrechen bekundeten. Eine Welt komplexer Hierarchien, außerhalb derer niemand ihrer Bewohner etwas galt. Eine Welt, die täglich Heerscharen billiger Fabrikarbeiter und unqualifizierter Hilfskräfte in bessere Viertel entsandte, um sie abends wieder einzusaugen, die wenig Sehenswertes zu bieten hatte und dennoch Vertreter besserer Kreise magisch

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