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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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nicht mich. Aber damals begann ich mich schon zu fragen, wer von uns beiden mehr liebte.«
    »Und er liebte dich zu sehr.«
    »Nein, er liebte sich zu wenig. Das wurde mir aber erst klar, als wir in Shanghai angekommen waren. Anfangs lief alles prima. Er kannte sich aus, mochte die Stadt, war etliche Male da gewesen im Zuge bilateraler Ermittlungsarbeit. Bei New Scotland Yard galt er als eine Art Haus-Sinologe, außerdem musst du wissen, dass Owen Sprachen nicht wie andere Leute mühsam erlernen muss, sondern sie einfach schluckt und in wohlgesetzten Formulierungen wieder zum Vorschein bringt. Ich schlug ihm vor, einen Job beim Shanghai Department for Cybercrime anzunehmen, weil die ihn da schon kannten und schätzten –«
    »Cypol«, schnaubte Yoyo.
    »Ja, deine Freunde. Wir bezogen eine Wohnung in Pudong und nahmen uns vor, ein Leben lang glücklich zu sein. Und dort fing es an. Kleinigkeiten. Sein Blick begann zu flackern, wenn er mit mir sprach. Er hofierte mich. Klar, wir lebten in meinem Land, es waren meine Leute, die wir trafen, darunter Politiker, Intellektuelle und allerlei Repräsentanten des öffentlichen Lebens, jeder von denen hofierte mich. In meinen Kreisen ist Größe das Resultat der Erniedrigung anderer, doch Owens Knie wurden weicher und weicher. Sein wunderbares Selbstbewusstsein schmolz dahin wie Butter in der Sonne, er schien zu degenerieren und wieder Pickel zu kriegen, und irgendwann fragte er mich ganz zaghaft, ob ich ihn liebe. Ich war vollkommen platt! Ungefähr so, als hätte er bei strahlend blauem Himmel gefragt, ob die Sonne scheint.«
    »Vielleicht fand er, dass du ihn nicht mehr so liebtest wie früher.«
    »Umgekehrt, mein Schatz. Die Zweifel kamen mit dem Zweifler. Owen hatte nicht den mindesten Grund, mir zu misstrauen, auch wenn er das wahrscheinlich so sah. Er hatte aufgehört, sich zu vertrauen, das war's! Verlieben kannst du dich nur auf Augenhöhe, aber wenn dein Partner vor dir einknickt, bist du gezwungen, auf ihn herabzuschauen.«
    »Wurde er eifersüchtig?«
    »Eifersucht, die Sucht der Unansehnlichen. Nichts macht dich kleiner und hässlicher.« Joanna trat zu einem offenen Magazin, in dem Dutzende Tuben nebeneinanderlagen. »Ja, wurde er. Irgendeine alte Unsicherheit hatte von ihm Besitz ergriffen. Unsere Beziehung geriet aus dem Gleichgewicht. Ich bin ein positiver Mensch, Schätzchen, ich kann überhaupt nur positiv sein, sodass Owen sich neben mir zusehends ausnahm wie eine Topfpflanze, der man das Wasser verweigerte. Mein Optimismus ließ ihn verdorren. Je schlechter er sich fühlte, desto mehr genoss ich mein Leben, von seiner Warte aus betrachtet. Völliger Blödsinn natürlich! Ich hatte das Leben schon immer genossen, nur vorher mit ihm zusammen.« Sie zog eine Tube Zinnober hervor und drückte ein wenig davon auf eine Palette. »Also verließ ich ihn, damit er endlich zu sich selbst finden konnte.«
    »Sehr rücksichtsvoll«, höhnte Yoyo.
    »Schon klar, wie du das siehst.« Joanna hielt einen Augenblick inne. »Aber du irrst dich. Ich hätte mit ihm alt werden können. Doch Owen hatte den Glauben verloren. Die Welt ist eine Illusion, alles ist Illusion, per se die Liebe. Wenn du aufhörst, an sie zu glauben, verschwindet sie. Wenn du aufhörst zu fühlen, wird die Sonne ein Klumpen und Blumen werden Gestrüpp. Das ist die ganze Geschichte.«
    Yoyo trottete zu einem Schemel und ließ sich darauf nieder.
    »Weißt du was?«, sagte sie. »Er tut mir leid.«
    »Wer?«
    »Na, Owen!«
    »Tz, tz.« Joanna schüttelte missbilligend den Kopf. »Wie unanständig, ich hätte erwartet, dass du ihm etwas mehr Respekt entgegenbringst. Owen ist talentiert, intelligent, charmant, sieht gut aus. Er könnte alles sein, was er will. Jeder weiß, dass es so ist. Nur er nicht.«
    »Eine Weile hat er es wohl geglaubt. Damals in London.«
    »Ja, weil er vor lauter Überraschung, dass es mit uns klappte, vorübergehend vergaß, dieser erbärmliche kleine Stinker zu sein.«
    Yoyo starrte sie an. »Sag mal, bist du eigentlich herzlos, oder gefällst du dir in der Rolle?«
    »Ich bin ehrlich und gefalle mir darin, nicht kitschig zu sein. Was willst du? Sentimentalitäten? Dann geh ins Kino.«
    »Schon gut. Wie lief's weiter?«
    »Natürlich zog er auf der Stelle aus. Ich bot ihm an, ihn zu unterstützen, aber das lehnte er ab. Nach wenigen Monaten schmiss er den Job, nur, weil ich ihm den besorgt hatte.«
    »Warum ist er nicht zurück nach England gegangen?«
    »Das musst du ihn selbst

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