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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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aufgebaut ist. Ein, äh – Wasserzeichen.« Er räusperte sich erneut. »Aber ich will nicht den Verkehr aufhalten, keine Sorge. Ich wollte nur dabei sein.«
    »Du hältst den Verkehr nicht auf, Vater«, sagte Yoyo leise.
    Chen zog die Nase hoch, entließ eine ganze Kaskade von Räusperlauten und brummte etwas Unverständliches. Dann nahm er Yoyos Hand, drückte sie kurz und fest und ließ sie wieder los.
    Yoyos Augen begannen zu leuchten.
    »Kein Problem, ehrenwerter Chen«, sagte Jericho. »Haben die anderen Sie mit unserem Wissensstand vertraut gemacht?«
    »Chen, einfach Chen. Ja, ich kenne diese – diese verstümmelte Nachricht.«
    »Gut. Viel mehr hatten wir bis vorhin noch nicht. Nur eine Ahnung, dass außerdem etwas in den Filmen stecken musste.« Er überlegte, wie er Chen die Sache begreiflich machen sollte. Der Mann war technisch von rührender Unbedarftheit. »Sehen Sie, es ist so: Jeder Datenstrom ist aus Datenpaketen aufgebaut. Am besten stellen Sie sich einen Bienenschwarm vor, einige Millionen Bienen unterschiedlicher Färbung, die sich auf immer neue Weise anordnen, sodass vor Ihren Augen bewegte Bilder entstehen. Und jetzt stellen Sie sich weiter vor, einige dieser Bienen sind codiert. Was Ihnen als Betrachter nicht auffällt. Sobald Sie jedoch im Besitz eines speziellen Algorithmus sind –«
    »Algorithmus?«
    »Eine Maske, ein Entschlüsselungsverfahren. Damit blenden Sie alle nicht codierten Bienen aus. Nur die codierten bleiben übrig. Und plötzlich erkennen Sie, dass die auch etwas darstellen. Sie sehen einen Film im Film. Man bezeichnet das als elektronisches Wasserzeichen. Neu ist das Verfahren nicht. Anfang des Jahrtausends, als die Unterhaltungsindustrie den Kampf gegen die Raubkopierer aufnahm, codierte man auf diese Weise Filme und Songs. Es reichte, eine Kleinigkeit im Frequenzspektrum eines Songs zu verändern. Menschliche Ohren nahmen den Unterschied nicht wahr, aber der Computer konnte die Herkunft der CD ermitteln.« Er machte eine Pause. »Der Unterschied zu heute ist folgender: Das alte Internet bildete Datenströme zweidimensional ab. Unser heutiges Internet ist für dreidimensionale Inhalte ausgelegt. Solche Datenströme muss man sich kubisch vorstellen, was erheblich bessere Möglichkeiten zur Unterbringung komplexer Wasserzeichen eröffnet. Allerdings erschwert es im gleichen Maße die Decodierung.«
    »Und Sie haben ein solches Wasserzeichen decodiert?«, fragte Chen ehrfürchtig.
    »Ja. Das heißt, Diane – äh, mein Computer – hat einen Weg gefunden, es sichtbar zu machen.«
    Inzwischen hatte die Gruppe der Wanderer wacker ein Hochplateau erklommen. Die hübsche Großstädterin näherte sich einem Schaf. Das Schaf rührte sich nicht von der Stelle und starrte die Frau an, was diese zum Anlass nahm, es großräumig zu umrunden.
    »Spann uns nicht auf die Folter«, sagte Yoyo.
    »Schon gut.« Jericho schaute wieder auf die Wand. »Diane, starte den Film erneut. Decodiert und komprimiert, maximale Darstellung.«
    Die Bergwelt verschwand. An ihre Stelle rückten Aufnahmen einer Autofahrt, aus dem Innenraum gefilmt. Es ging eine holperige Straße entlang. Zu beiden Seiten erstreckte sich hügeliges Ackerland, durchbrochen von Büschen und gelegentlich einem Baum. Vereinzelt sah man Hütten, meist in erbärmlichem Zustand. Der Himmel war verquollen von Wolken. Wo das Gelände anstieg und sich bewaldete, kündeten graue Schraffuren von Regengüssen.
    Ein gutes Stück vor dem Wagen fuhr ein Laster und wirbelte Staub auf. Auf der Ladefläche saßen mehrere Schwarze, die meisten nur mit Shorts bekleidet. Sie wirkten teilnahmslos, soweit man das auf die Entfernung und durch den Straßendreck hindurch beurteilen konnte. Dann schwenkte die Kamera auf den Fahrer, einen aschblonden Mann mit Sonnenbrille, Schnurrbart und kräftiger Kinnpartie.
    Derjenige, der die Kamera hielt, sagte etwas Unverständliches. Der Blonde schaute kurz herüber und grinste.
    »Klar doch«, sagte er auf spanisch. »Zum Ruhme des Präsidenten.«
    Beide lachten.
    Das Bild wechselte. Derselbe Mann saß, mit Khakihemd und hellem Jackett bekleidet, in Gesellschaft Uniformierter an einem langen Tisch, nunmehr ohne Sonnenbrille. Die Kamera zoomte ihn heran. Augenbrauen und Wimpern waren hell wie sein Haupthaar, die Augen wasserblau, eines davon starr, ein Glasauge möglicherweise. Dann ging die Kamera in die Totale und erfasste den Tisch in seiner ganzen Länge. Zwei chinesisch aussehende Männer in Anzug und

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