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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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fragen.«
    »Ihr habt nie darüber gesprochen?«
    »Doch schon, wir hielten Kontakt. Funkstille herrschte nur wenige Wochen lang, eine Zeit, während derer ich mich in Tian verliebte, den ich von Partys her kannte. Als Owen erfuhr, dass wir liiert waren, klappte sein Weltbild total zusammen.« Joanna sah Yoyo an. »Dabei ist es mir egal, wie alt, dick oder kahl ein Mann ist. Nichts davon zählt. Tian ist authentisch, aufrecht und geradeheraus, Gott weiß, wie ich das schätze! Ein Kämpfer, ein Fels. Geistreich, gebildet, liberal –«
    »Reich«, ergänzte Yoyo.
    »Reich bin ich selbst. Natürlich fand ich es toll, dass Tian die Herausforderung suchte, von Erfolg zu Erfolg eilte. Doch eigentlich kann er nichts, was Owen nicht auch könnte. Nur, dass Tians Dasein von einem nahezu unerschütterlichen Glauben an sich selbst geprägt ist. Er findet sich schön, und das macht ihn schön. Dafür liebe ich ihn.«
    Joannas Erzählung hatte begonnen, eine wohltuend betäubende Wirkung auf Yoyo zu entfalten. Ihr schien es plötzlich, als könne sie besser durchatmen, wenn von den Problemen anderer Leute die Rede war. Überhaupt tat es gut zu wissen, dass andere Probleme hatten. Eigentlich hätten sie ruhig noch ein bisschen größer sein dürfen, um den Blick auf den Vormittag zu verstellen.
    »Und wie ging es weiter mit Owen?«, wollte sie wissen.
    Joanna widmete sich dem öligen Strang auf ihrer Palette und rührte ihn mit einem spitzen Pinsel zur Creme.
    »Frag ihn«, sagte sie, ohne aufzuschauen. »Meine Geschichte habe ich erzählt. Für seine bin ich nicht zuständig.«
    Yoyo rutschte unschlüssig auf ihrem Platz hin und her. Joannas unerwartete Einsilbigkeit gefiel ihr nicht. Sie beschloss zu insistieren, als Tu das Atelier betrat.
    »Hier bist du!«, teilte er Yoyo mit, als müsse er sie davon in Kenntnis setzen, wo sie sich befand.
    »Gibt's was?«, fragte sie.
    »Ja, Owen war fleißig. Komm mit ins Büro, es sieht so aus, als hätte er Verschiedenes rausgefunden.«
    Yoyo erhob sich und sah zu Joanna hinüber. »Kommst du auch mit?«
    Joanna lächelte. Von der Spitze des Pinsels tropfte Zinnober wie edles, altes Blut.
    »Nein, Schätzchen. Geh ruhig. Ich würde nur dumme Fragen stellen.«
     
    Um 19 Uhr 20 versenkten sich Tu, Jericho und Yoyo in die Schönheiten der Schweizer Bergwelt. Auf Tus Multimediawand lief großformatig ein 3-D-Film. Zu sehen war eine Gondel, die einem pittoresken Städtchen entsprang und über Schluchten und Tannenwälder einer schmucken Alm zustrebte. Ein flaches, edel gestaltetes Bauwerk kam in Sicht. Der spanische Kommentator pries es als eines der ersten Designerhotels der Alpen, lobte die Zimmer für den Komfort und die Küche für die Knödel, um sodann eine Gruppe Wanderer beim Überqueren einer Wiese zu begleiten. Kühe trotteten neugierig näher. Eine hübsche Großstädterin sah ihr Herannahen mit Skepsis, wurde schneller und begann talwärts zu laufen, wo zwei Esel grau und müde aus ihrem Verschlag schlurften und sie wieder den Kühen entgegentrieben. Einige der Wanderer lachten. Die nächste Szene zeigte einen Bauer, der eine Kuh in den Arsch trat.
    »Hier oben sind die Sitten zum Teil noch ziemlich rau und ursprünglich«, erklärte der spanische Kommentator im Tonfall eines Verhaltensforschers, der gerade entdeckt, dass Schimpansen doch nicht so intelligent sind.
    »Toll«, sagte Yoyo.
    Weder sie noch Tu verstanden Spanisch, was allerdings keine Rolle spielte. Jericho ließ den Film unerbittlich weiterlaufen und fieberte seinem großen Moment entgegen.
    »Ich brauche euch ja nicht zu erklären, wie so ein Streifen aufgebaut ist«, sagte er. »Und Wasserzeichen kennt ihr. Also –«
    »Entschuldigung«, sagte jemand von der Türe her.
    Sie drehten die Köpfe. Chen Hongbing war eingetreten. Er verharrte, kam unsicher einen Schritt näher und straffte sich.
    »Ich möchte nicht stören. Ich wollte nur –«
    »Hongbing.« Tu eilte zu seinem Freund und legte ihm den Arm um die Schulter. »Wie schön, dass du gekommen bist.«
    »Na ja.« Hongbing räusperte sich. »Ich dachte, wir geben denen Saures, nicht wahr? Weniger meinetwegen, sondern –« Er trat neben Yoyo, sah sie an und wieder weg, schaute sich um, massierte seine Kinnspitze und fuchtelte unentschlossen mit den Händen. Yoyo blickte irritiert zu ihm hoch. »Also, ich kenne es leider nicht«, sagte er.
    »Was, bitte?«, fragte Jericho vorsichtig. Chen wies mit vager Geste auf den laufenden Film.
    »Den Aufbau. Wie so was

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