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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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unverständlich nach Kunst. Pompös feierte sie die Schönheit des Nichtigen und das Nichtige im Schönen, verkaufte ihren Bewunderern etwas, worauf sie schauen konnten, und verschwieg, dass es Spiegel waren.
    »Nicht vergessen«, pflegte sie mit dem charmantesten Joanna-Lächeln zu sagen. »Ich bin mit auf dem Bild. Auf jedem. Auch auf Ihrem.«
    Yoyo beneidete Joanna. Sie neidete ihr den Egoismus, von dem sie sich durchs Leben treiben ließ, ohne sich blaue Flecken zu holen. Sie neidete ihr die Fähigkeit, desinteressiert zu sein, und die Unbekümmertheit, es zu zeigen. Selbst war sie an allem interessiert. Zwanghaft betroffen. Konnte das gut gehen? Sicher, die Wächter hatten einiges zuwege gebracht. Auf ihren Druck waren inhaftierte Journalisten freigekommen, korrupte Beamte ihrer Funktion enthoben und Umweltskandale aufgeklärt worden. Während Joanna ihre Finger manikürte, war Yoyo vollauf damit beschäftigt, ihre in jedermanns Wunden zu legen und nicht müde zu werden, Chinas Recht auf eine eigene Spaßkultur einzufordern, was ihr mitunter den Ruf einbrachte, Nationalistin zu sein. Auch gut. Sie war eine Spaßkultur predigende, liberale Nationalistin, die sich vom Unrecht der Welt die Laune verderben ließ. Super! Was konnte man noch alles sein? Einiges würde sich sicher noch finden, solange es nur verhieß, nicht Chen Yuyun sein zu müssen.
    Joanna verstrich Farbe und war nur Joanna. Selbstbezogen, sorglos und reich. Alles, was Yoyo aus tiefstem Herzen verabscheute und zugleich ersehnte. Jemand, der Halt bot. Jemand, der nicht auf Seite ging, weil er gewohnt war, niemals auf Seite zu gehen.
    Wieder weinte sie.
    Nach einer Weile war Yoyos Vorrat an Tränen erschöpft. Joanna reinigte Pinsel in Terpentin. Über den gläsernen Flächen des Pagodendachs arbeitete sich der Himmel durch alle Skalierungen von Grau, den Abend vorbereitend.
    »Und? Wie ist es gelaufen? Gut?«
    Yoyo schniefte und schüttelte den Kopf.
    »Es kann nur gut gelaufen sein«, beschied Joanna. »Ihr habt euch angeschrien, und du hast geheult. Das ist gut.«
    »Findest du?«
    Joanna wandte ihr den Kopf zu und lächelte.
    »Es ist auf alle Fälle besser, als seine eigene Zunge runterzuschlucken und sich nachts mit den Wänden zu unterhalten.«
    »Ich hätte ihn nicht so belügen dürfen«, sagte Yoyo und hustete, die Atemwege verschleimt vom ausgiebigen Weinen. »Ich habe ihm wehgetan. Du hättest ihn sehen sollen.«
    »Unsinn, Schätzchen. Du hast ihm nicht wehgetan. Du hast ihm die Wahrheit gesagt.«
    »Das meine ich ja.«
    »Nein, du verwechselst da was. Du tust, als wäre jedes offene Wort, das du äußerst, ein moralischer Eklat. Wer die Wahrheit sagt, ist einer von den Guten. Wie sie ankommt, steht auf einem anderen Blatt, aber dafür gibt es Psychiater. Du kannst deinem Vater nun mal nicht helfen, die Kröte zu schlucken.«
    »Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich überhaupt tun soll.«
    »Aber ich.« Joanna streckte nacheinander ihre schlanken Finger aus. »Lass dir ein Bad ein, geh an den Sandsack, geh shoppen. Gib Geld aus. Viel Geld.«
    Yoyo rieb ihre Ellbogen. »Ich bin nicht du, Joanna.«
    »Keiner hat vorgeschlagen, dass du gleich einen Rolls-Royce kaufst. Ich will, dass du die Prinzipien von Ursache und Wirkung verstehst. Die Wahrheit ist etwas Gutes, zumal wenn angenehm. Ist sie unangenehm, stärkt sie die Abwehrkräfte.«
    »Hat sie auch Owens Abwehrkräfte gestärkt?«
    Joanna hielt einen dicken Pinsel gegen das Licht und fächerte die Borsten mit dem Fingernagel auf.
    »Tian hat mir erzählt, dass ihr zusammen wart«, fügte Yoyo rasch hinzu. »Bevor du ihn geheiratet hast.«
    »Ja, wir waren zusammen.«
    »Okay. Wir können das Thema wechseln.«
    »Keineswegs.« Sie legte den Pinsel beiseite und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Wir hatten eine schöne Zeit.«
    »Warum habt ihr euch dann getrennt? Er ist doch sehr nett.«
    Komisch, dass sie das sagte. Fand sie Owen Jericho nett? Bislang war er nur in Verbindung mit Schusswaffen, Tod und schwerer Körperverletzung in Erscheinung getreten. Andererseits hatte er ihr das Leben gerettet. Fand man jemanden nett, weil er einem das Leben rettete?
    »Partnerschaft ist ein jederzeit kündbarer Vertrag, mein Schatz«, sagte Joanna und nahm sich den zweiten Pinsel vor. »Ohne Fristen. Du quittierst den Beischlaf nicht sechs Wochen zum Quartal. Wenn es nicht mehr funktioniert, musst du gehen.«
    »Und was hat nicht funktioniert?«
    »Alles. Der Owen, der mit nach Shanghai

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