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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Garden Lehrer an Bäume hängten, war ich noch nicht mal in der Planung. Erzähl mir lieber, wie es mit Bubi Fang weitergeht, falls das überhaupt von Belang ist.«
    »Fang«, erklärte Jericho geduldig. »Die Bubi lebten auf der Insel. Mit der Küste hatten sie wenig am Hut, bis Spanien Festland und Inseln zur Republik Äquatorialguinea vereinte. Und auf dem Festland dominierten die Fang, ein anderer Bantu-Stamm, zahlenmäßig den Bubi weit überlegen und wenig begeistert davon, über Nacht in einen Topf mit ihnen geworfen zu werden. 1964 entlässt Spanien das Land in die völlige Autonomie, soll heißen, man umzäunt zwei Parteien, die nicht miteinander konnten, mit einer Staatsgrenze und überlässt sie sich selbst. Was nur schiefgehen kann.«
    Yoyo sah ihn aus ihren dunklen Augen an.
    Und plötzlich lächelte sie. So unerwartet und unpassend erstrahlte dieses Lächeln, dass er nicht anders konnte als irritiert zurückzustarren.
    »Ich wollte dir übrigens noch danken«, sagte sie.
    »Danken?«
    »Du hast mir das Leben gerettet.«
    Jericho zögerte. Die ganze Zeit über, da er so tapfer die Suppe mit auslöffelte, die Yoyo sich eingebrockt hatte, hatte er diesen Dank innerlich eingefordert. Nun fühlte er sich überrumpelt.
    »Keine Ursache«, sagte er lahm. »Es ergab sich so.«
    »Owen –«
    »Ich hatte keine Wahl. Hätte ich gewusst –«
    »Nein, Owen, nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Sag was Nettes.«
    »Was Nettes? Bei all dem Ärger, den du verursacht –«
    »Hey.« Sie langte aus. Ihre schlanken Finger umfassten seine Hand und drückten fest zu. »Sag mir was Nettes. Jetzt sofort!«
    Sie kam ihm näher, und etwas veränderte sich. Bislang hatte er nur Yoyos Schönheit gesehen und die kleinen Mängel darin. Jetzt durchfuhren ihn Wellen von beunruhigender Intensität. So wie Joanna ihr erotisches Potenzial beherrschte und regelte wie die Lautstärke an einem Radio, konnte Yoyo nicht anders, als verschwenderisch zu brennen, unablässig, ein heller, heißer Stern. Und plötzlich stellte er fest, dass er alles unternehmen würde, damit dieser Stern nicht erkaltete. Er hasste die Vorstellung, dass Yoyo sich zerstörte. Er wollte sie lachen sehen.
    »Na ja.« Er räusperte sich. »Jederzeit.«
    »Jederzeit was?«
    »Jederzeit wieder. Wenn du gerettet werden musst, lass es mich wissen. Ich bin da.« Erneutes Räuspern. »Und jetzt –«
    »Danke, Owen. Danke.«
    »– weiter mit Mayé. Ab wann wird's interessant für uns?«
    Sie ließ seine Hand los und sank zurück in ihren Sitz.
    »Schwer zu sagen. Ziemlich verfahrene Geschichte. Ich schätze, um die Verhältnisse im Land zu verstehen, müssen wir mit der Unabhängigkeit beginnen. Mit dem Wechsel zu –«
     
    Papa Macías.
    Im Oktober 1968 herrscht am Golf von Guinea dasselbe feuchtschwüle Klima wie an jedem anderen Tag des Jahres auch. Manchmal regnet es, dann brüten Land, Inseln und Meer im Sonnenschein, der die Strände zum Glitzern und jede Tatkraft zum Erliegen bringt. Die Hauptstadt, auf der Insel gelegen und wenig mehr als eine Ansammlung verschimmelnder Kolonialbauten mit Hütten drum herum, erlebt den Einzug des ersten Staatspräsidenten der unabhängigen Republik Äquatorialguinea, vom Volk in einer denkwürdigen Abstimmung gewählt. Francisco Macías Nguema aus dem Stamm der Fang verspricht Gerechtigkeit und Sozialismus und drängt die verbliebenen spanischen Truppen zum Abzug, was ohnehin vereinbart war, nur dass man sich das Ende irgendwie versöhnlicher vorgestellt hat. Doch ›Papa‹, wie sich der Präsident in Liebe zu den Seinen nennt, ist gewohnt, hier und da kräftig zu frühstücken. Hirn und Hoden seiner Feinde, entsetzen sich die abservierten Kolonialisten, pflege der Mann zu sich zu nehmen, ein Kannibale. Von so jemandem ist kein tränenreicher Abschied zu erwarten.
    Und doch wird es genau das.
    Ein Meer von Tränen, ein Meer von Blut.
    Die junge Republik wird geschändet, kaum dass sie geboren ist. Niemand hier war auf so etwas Exotisches wie Marktwirtschaft vorbereitet, aber wenigstens gibt es einen florierenden Handel mit Kakao und tropischen Hölzern. Macías indes, in glühender Bewunderung zu marxistisch-leninistisch fundierter Willkür entbrannt, interessieren andere Dinge. Kaum dass die letzten Einheiten der Guardia Civil das Feld geräumt haben, zeigt sich, was vom Hoden essenden Papa und seiner Partido Unico Nacional zu erwarten ist. Die Armee zementiert Macías' Anspruch auf gottgleiche Alleinherrschaft mit Knüppeln,

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