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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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schäbige, parkhausähnliche Festung ohnehin nie wieder verlassen werden. Er fürchtet um sein eigenes Leben, und er hat allen Grund dazu. Jeder aus Papas Clan muss in diesen Tagen damit rechnen, der Paranoia des Präsidenten unversehens zum Opfer zu fallen und zu den Klängen von Mary Hopkins in die ewigen Regenwälder einzugehen.
    Auch Obiang hat Angst.
    Dabei ist sein Familiensinn dem des rabiaten Oheims gar nicht so unähnlich. Macías' Sippenangst als Resultat eben jener Begünstigungspolitik, die den kompletten Regierungsapparat verschwippschwägert hat, sitzt auch ihm tief in den Knochen. Papa bekommt das zu spüren, als Obiang zum Staatsstreich bläst und das einzigartige Wunder aus dem Amt jagt. Hals über Kopf flieht der Entmachtete in den Dschungel, nicht ohne zuvor die restlichen Landesdevisen verbrannt zu haben. Über 100 Millionen Dollar, in seiner Villa gelagert, gehen in Flammen auf, buchstäblich das letzte Geld. Als Obiangs Schergen den entkräfteten Macías zwischen Riesenfarnen und Affenscheiße aufspüren, ist Äquatorialguinea blank wie ein gescheuerter Tresen. Man karrt den Mann nach Malabo, spielt ihm Those were the days vor und überantwortet ihn per Gewehrkugel den Geistern seiner Vorfahren, was marokkanische Soldaten erledigen – seine eigenen Leute fürchten die Zauberkraft des Kannibalen.
    Der Oberste Militärrat übernimmt die Regierungsgeschäfte. Nach Art aller frisch Inthronisierten macht Obiang wohlklingende Versprechungen ans Volk, ruft eine parlamentarische Demokratie aus und lässt Ende der Achtziger tatsächlich Wahlen zu. Sämtliche Kandidaten werden von ihm vorgeschlagen. Obiang obsiegt, nicht zuletzt, weil seine Partido Democrático du Guinea Ecuatorial außer Konkurrenz antritt, deren Vertreter gerade im Black Beach Prison eine große Party feiern. Die Regierung erneuert sich wie ein Eidechsenschwanz, dasselbe Blut, dieselben Gene. Esangui-Fang eben. Family Business. Wer Kritik übt, tanzt bald singend ums Feuer, nur der Text hat sich geändert. Gar so schlimm wie Papa wütet Obiang nicht, vielmehr müht er sich um die Wiederherstellung des Vertrauens im Ausland, knüpft zarte Bande ans nachhaltig brüskierte Spanien und lässt die Sowjets wissen, nicht länger ihr Freund zu sein. Äquatorialguinea sieht wieder mehr nach Staat aus als nach subtropischem Dachau. Geld kommt ins Land. Annabón, Biokos Schwesterinsel, ist groß und schön, ideal für Atommüll, dessen Lagerung sich die Erste Welt einiges kosten lässt. Zwar leben auf Annabón Menschen, fortan aber weniger lang. Raubfischerei, Waffenschmuggel, Drogenhandel, Kinderarbeit, Obiang zieht alle Register und verwandelt den grünen Flicken am Golf von Guinea in ein hübsches, kleines Gangsterparadies.
    Ausländische Kreditgeber machen Druck. Demokratie muss her. Widerwillig akzeptiert Obiang Oppositionsparteien, immerhin ist er trotz Ausschöpfung aller kriminellen Talente immer noch mit 250 Millionen Dollar in den Miesen, da geschieht etwas Unfassbares, das die Zukunft über Nacht in völlig neuem Glanz erstrahlen lässt. Es geschieht vor Bioko, dann vor der Festlandküste. Es geschieht und lässt den Präsidenten ehrfürchtig die Lippen runden, exakt so rund, wie man sie formen muss, um ein ganz bestimmtes Wort auszusprechen.
     
    »Öl.«
    »Genau«, sagte Jericho. »Die ersten Lagerstätten werden Anfang der Neunziger detektiert, und jetzt geht der Run los. Die Konzerne geben sich am Golf die Klinke in die Hand. Keiner fragt mehr nach Menschenrechten. Förderlizenzen geben den besseren Gesprächsstoff ab.«
    »Und Obiang kassiert.«
    »Und räumt auf, weil's gerade günstig ist.« Jericho deutete mit einladender Geste auf seinen Bildschirm. »Wenn du die Liste der Verhafteten und Ermordeten sehen willst –«
    »Lass mal.«
    »Bis auf Spanien, muss man sagen. Madrid erregt sich öffentlich über Menschenrechtsverletzungen.«
    »Respekt.«
    »Nein, Frust. Einige Oppositionelle haben in Spanien Unterschlupf gefunden und wettern gegen Obiangs Clan, also ist der zurückhaltend mit der Vergabe von Lizenzen an spanische Gesellschaften. Die spanische Regierung reagiert sauer und friert demonstrativ die Entwicklungshilfe ein. Irgendwie rührend, weil Mobil wenig später vor Malabo ein weiteres Ölfeld erschließt und das Wirtschaftswachstum Äquatorialguineas um 40 Prozent in die Höhe schnellt. Dann geht's Schlag auf Schlag: Funde vor Bioko, vor Mbini, Bauboom in Malabo, Ölstädte wie Luba und Bata entstehen, Obiang hat

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